IV. HKapitel.
Die Schuldformen des Kriegswucherdelikts.
§ 1.
Haftung für Vorsatz und Fahrlässigkeit.
I. Die auf dem angeblichen Verletzungscharakter des Kriegswucherdelikts fußende
Ansicht von der Straflosigkeit einer lediglich fahrlässigen Gesetzesübertretung
(b. Listt)t)t4t4... . 110
II. Das Kriegswucherdelikt als Gefährdungsdelikt und die hieraus für die Be-
strafung seiner lediglich fahrlässigen Ubertretung zu ziehende Folgerung 111
III. Der die Bestrafung der Fahrlässigkeit fordernde Standpunkt des Reichsgerichts
und seine Begründdpdndddgdgdgdgdgggg . . 112
IV. Die Bedeutung der Verordnung vom 23. März 1916 für die Frage nach der
Strafbarkeit des fahrlässigen Kriegswucherdelikts sowohl hinsichtlich der nach
wie der vor der Geltung dieser Verordnung liegenden Fälll .. . 114
I. Auf Grund der ursprünglichen Fassung des Höchst Pr G., die sich über
die Schuldformen des Täters in keiner Weise aussprach, mochte es zweifelhaft
erscheinen, ob zur Erfüllung des inneren Tatbestandes auch die
Schuldform der Fahrlässigkeit ausreicht. Scharf trat einer solchen Annahme
v. Liszt in dem Gutachten 1½) entgegen, das er gegenüber der gleichen Anklage
erstattet hat, die nach der bereits erörterten Auffassung von Frank2) schon
daran scheiterte, daß es nicht angängig wäre, den Angeschuldigten auf
Grund des § 151 Gew O. als Täter in Anspruch zu nehmen. Fahrlässige
Begehung von Vergehen sei, so deduziert v. Liszt, nur dann strafbar,
wenn das Gesetz es ausdrücklich ausgesprochen habe, oder wenn es sich durch
sorgfältige Auslegung des Gesetzes ergebe. Betrachte man von diesem Stand-
punkt aus das innere Wesen der Strafdrohung gegen die Überschreitung der
Höchstpreise, so ergebe sich, daß sie gegen die wucherische Ausbeutung des
Kundenpublikums gerichtet sei. Wie aber der Wucher unzweifelhaft nur
vorsätzlich begangen werden könne, so sei auch die Strafbarkeit der Über-
schreitung von Höchstpreisen ausgeschlossen, wenn der Täter von der Aufstellung
des von ihm übertretenen Höchstpreises keine Kenntnis gehabt habe. Zu dem-
selben Ergebnis gelange man aber auch, wenn man mit dem Urteil des
V. Senats vom 5. Juni 1914 (Entsch. Bd. 48 S. 316) von dem Satz ausgehe,
daß bei Vorschriften von „präventiv polizeilichem Charakter“ auch die fahr-
lässige Zuwiderhandlung strafbar sei. Denn die Anordnung von Höchstpreisen
solle nicht etwa einer später möglicherweise eintretenden Verletzung vorbeugen,
1) Ineder Zeitschr. f. d. ges. Straf Wissensch. Bd. 37.S. 40 auf S. 46 f.
2) S. darüber oben S. 98 ff.