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die Überschreitung der Höchstpreise enthalte vielmehr bereits die Übervorteilung
des Käufers als in sich abgeschlossenen Erfolg der Handlung. Dieses Vergehen
stelle daher kein Gefährdungsdelikt dar, sondern ein reines Verletzungs-
delikt; ganz ebenso wie der Wucher. Bei reinen Verletzungsdelikten sei
aber grundsätzlich, wenn anderes vom Gesetz nicht ausdrücklich bestimmt werde,
nur die vorsätzliche, nicht aber die fahrlässige Begehung strafbar.
II. Wenn v. Liszt das „Kundenpublikum“ als das Objekt des deliktischen
Angriffs bezeichnet, so betont er damit eigentlich schon selbst einen wesentlichen.
Unterschied zwischen dem allgemeinen Wucherdelikt und dem Kriegswucher-
delikt: dem Publikum, einem typischen Gefährdungs-, nicht Verletzungs-
objekt, gilt der Schutz des Kriegswucherdelikts. Darin liegt zugleich, wes-
halb man auch die Kriegswucherdelikte zu den Vorschriften von „präventiv.
polizeilichem Charakter“ zu rechnen hat, also zu den Strafbestimmungen, für
die gerade das RE. in der von v. Liszt angeführten Entscheidung die Er-
streckung der Strafbarkeit auf fahrlässiges Handeln behauptet. Die Gefahr
einer übermäßigen Teuerung der für die Gesamtheit der Bevölkerung not-
wendigen Bedarfsgegenstände soll durch die Vorschriften der Kriegswucher-
gesetze abgewandt werden. Der Versorgung der Allgemeinheit gilt also ihr
Schutz. Deshalb sind sie Gefährdungsdelikte im echten Sinne des Wortes.
Daß sie ein Handlungs objekt, nämlich den einzelnen übervorteilten
Kunden, verletzen, schließt nicht aus, daß sie ein Schutz objekt, die Ver-
sorgung der Gesamtheit, gefährden. Die Verletzung des Handlungsobjekts-
ist zudem bei keinem der Kriegswucherdelikte Tatbestan dsmoment.
Weder bei der Höchstpreisüberschreitung, die, wie wir gesehen haben, auch vom
Käufer begangen werden kann, und sich jedenfalls nicht erst mit der Zahlung
des Überpreises vollendet; ) noch bei der Übervorteilung im Sinne der Preis-
Steig VO., da der Tatbestand hier schon mit dem Fordern des Wucher-
preises erfüllt wird. Wäre aber auch die Verletzung des einzelnen Geschäfts-
gegners Tatbestandsvoraussetzung des Kriegswucherdelikts, so täte dies dem Ge-
fährdungscharakter dieses Delikts doch keinen Abbruch, da, wie bereits gezeigt ist,
in dem Delikt seinem legislativen Motiv nach jedenfalls die Gefährdung eines.
Schutzobjektes mitenthalten ist. Hierauf kommt es aber entscheidend an. Eben
deshalb ist dem Kriegswucherdelikt der Charakter eines Gefährdungsdelikts,“)
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#3) S. oben S. 36.
4) Dafß selbst bei Verletzung eines Handlungsobjekts von einem Gefährdungs-
delikt zu sprechen ist, wenn die Gefährlichkeit der Handlung den Grund der Straf-
drohung bildet, betont neuerdings wieder mit großer Schärfe M. E. Mayer, Der
allgemeine Teil des deutschen Strafrechts S. 129. Diese Spielart des Gefährdungs-
delikts, bei dem zugleich ein Handlungs objekt verletzt wird, ist übrigens.
sogar das Charakteristikum der wichtigsten Gruppe der Gefährdungsdelikte,
der Gruppe der sogenannten gemeingefährlichen Verbrechen. Sie ent-
halten, wie Binding in seinen Ausführungen über ihre Ent-
stehung und Bedeutung (Lehrbuch des besonderen Teils des Strafrechts.
II 1 S. 60) hervorhebt, alle Verletzungen, und zwar meist Sachbeschädigungen, als