Full text: Kriegswucherstrafrecht.

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Ob der außer strafrechtliche Irrtum als Tat= oder als Rechtsirrtum 
qualifiziert werden muß, ist nach dem Gesagten für das RG. gleichgültig. 
Kaum in einer anderen wichtigen Rechtsfrage steht, wie v. Hippel 
bemerkt, das RG. so einsam und verlassen da wie in dieser.5) Wer aber von 
der Praxis anzuwendendes Recht darstellen will, wird, ungeachtet seiner 
eigenen wissenschaftlichen Meinung, guttun, in dieser Frage die Auffassung 
des RG. zugrunde zu legen. Es ist nicht damit zu rechnen, daß das RG. 
trotz der unausgefetzten Minierarbeit, die die Wissenschaft gegen die Stützen 
der Grundanschauung des RG. in der Frage des strafrechtlich beachtlichen 
Rechtsirrtums unternommen hat, unter dem geltenden Recht andere Psade 
beschreiten wird.), Mit wenigen Ausnahmen haben sich zudem die Ober- 
landesgerichte, soweit sie als Revisionsinstanzen berufen waren, zu der Frage 
des Strafrechtsirrtums Stellung zu nehmen, dem Standpunkt des RG. an- 
geschlossen. Es kommt hinzu, daß, wer den Boden der reichsgerichtlichen An- 
schauung verläßt, keineswegs auf sicheren Grund tritt. Eine übereinstimmende 
Meinung der außerhalb der reichsgerichtlichen Auffassung stehenden Juristen 
ist keineswegs festzustellen. Andererseits ist anzuerkennen, daß es dem RG. 
trotz seiner theoretisch angreifbaren Entscheidungsbasis meist möglich gewesen 
  
irrtum als Gegenstück des Irrtums über Tatumstände im Sinne des § 59 StE . 
binstellt. 
5) S. v. Hippel a. a. O. S. 557. Mit besonderer Energie tritt für den 
Standpunkt des RG. ein Lucas, DJ)3. 1914 S. 251. Er bezeichnet ihn „trotz 
der wissenschaftlichen Anfechtungen als folgerichtig, rechtspolitisch notwendig und 
auch nicht unbillig“. Göbel zu § 59 sub 5 hält ebenfalls an ihm fest, indem er 
betont, daß die Wissenschaft „bis jetzt nicht zu einer besseren und allgemein an- 
erkannten Unterscheidung“ gelangt sei. Kohler, Leitfaden S. 56 geht gleich- 
falls von der Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen strafrechtlichem und 
nichtstrafrechtlichem Irrtum aus. 
Die Gegner des RG. im einzelnen anzuführen, würde zu weit führen. Aus- 
drücklich soll deshalb nur hingewiesen werden auf die Monographien von Kohl- 
rausch, Irrtum und Schuldbegriff im Strafrecht, Berlin 1903, und von Aug. 
Köhler, Die Strafbarkeit bei Rechtsirrtum, München 1904. Trotz ihrer aus- 
gesprochenen Kampfstellung gegenüber dem höchsten Gerichtshof kommt diesen Ar- 
beiten für die Erkenntnis des Standpunkts des RG. hoher Wert zu. 
6) Diese UÜberraschung hofft allerdings Reichsgerichtsrat Lobe, L3. 1916 
S. 641 ff., noch zu erleben. In höchst eindringlichen Darlegungen sucht er den 
Nachweis zu führen, daß gerade die Kriegsrechtsprechung das RG. noch nötigen 
werde, seinen bisher so zäh verteidigten Standpunkt in der Frage des Rechtsirrtums 
aufzugeben. Die Entwicklung hat ihm nicht recht gegeben. Das R. hält, wie 
seine Entscheidungen bis in die neueste Zeit beweisen, an seiner Unterscheidung 
zwischen strafrechtlichem und außerstrafrechtlichem Rechtsirtum fest. (Das kon- 
statiert auch v. LCiszt in JW. 1917 S. 907, Fußnote zu Nr. 5.) In beschränktem 
Maße hat die Gesetzgebung durch die unten unter V zu besprechende BRVO. 
vom 18. Januar 1917 mit der Unterscheidung für unser Fragegebiet aufgeräumt.
	        
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