120
Lobe durchaus verkennt,) keine Rede sein. In ganz ähnlicher Weise wie
beim Vergehen des Aufruhrs (§ 116 St G.) ist lediglich eine vorangegangene
Anordnung der öffentlichen Gewalt zur Voraussetzung strafbaren Tuns ge-
macht; der Gesetzestatbestand, der allein den Blankettcharakter einer
Strafvorschrift bestimmt, wird dadurch nicht berührt.:53) Deshalb ist das Delikt
der Ziffer 1 des § 6 Höchst Pr G. zu den oben unter 1 à beschriebenen Gesetzes-
typen zu zählen.
2. a) In Fällen der oben unter 1 a beschriebenen Gesetzestechnik (Aus-
füllung des Strafgesetzes durch Verweisung auf andere Bestimmungen des-
selben Gesetzes) wird man nicht daran zweifeln dürfen, daß die in Bezug ge-
nommenen Bestimmungen einen integrierenden Bestandteil des Strafgefetzes
bilden. Ohne Strafbestimmung ist die formell außerstrafrechtliche Vorschrift-
eine lex imperfecta. Die Vermutung spricht nicht dafür, daß der Gesetz-
geber eine dem öffentlichen Interesse dienende Bestimmung als eine lex imper-
kecta schafft. Deshalb ist die im öffentlichen Interesse erlassene formell außer-
strafrechtliche Vorschrift zusammen mit der Strafvorschrift, die ihre Befolgung
sichern soll, als ein Gesetz zu denken.1)
Für einen außerstrafrechtlichen Irrtum ist also insoweit kein Platz. Zu
diesem Ergebnis ist denn auch das RG. in einer Reihe von ganz analogen
— vor der Zeit der Kriegsrechtsprechung liegenden — Fällen gelangt, 7)
14) In dem bereits zit. Aufsatz in L Z. 1916 S. 722 sub 3. Seine hiervon
ausgehenden Deduktionen (a. a. O. S. 723) müssen daher als auf irriger Grund-
lage beruhend angesehen werden.
15) Die Besonderheit, die hier allein anzuerkennen ist, besteht ausschließlich
darin, daß die Vorschrift in Abhängigkeit von nicht kriminellen Rechtssätzen zu
denken ist. Das ist aber bedeutungslos für den Strafgesetzbegriff, weshalb auf diese
Berücksichtigung für den Fall des § 2 Abs. 2 StGB. Binding, Handbuch I.
S. 257, denn auch ausdrücklich hinweist.
16) Mit dieser Begründung bin ich in der L3. 1914 S. 524 auf S. 531 auch
der Meinung Breits entgegengetreten, der (Depot G. zu § 9 sub 5) die Auffassung
vertritt, daß ein Irrtum des Täters über die Rechtsgültigkeit einer den Vorschriften
des § 2 Depot G. entsprechenden Zustimmungserklärung ein außerstrafrechtlicher sei.
S. auch Lobe in der zit. Abhandlung in L3. 1916 auf S. 653.
17) Nämlich in den Urteilen des II. Senats vom 4. Juni 1886, Rechtspr. Bd. 8
S. 421, wo ein Irrtum über die vom § 240 Ziffer 3 und 4 Konkursordnung in Bezug
genommenen gesetzlichen Vorschriften über die Führung von Handelsbüchern und die
Ziehung von Bilanzen in Frage stand, ferner in dem Urteil desselben Senats vom
2. Juni 1896, Entsch. Bd. 28 S. 399, wo auf S. 401 gegenüber einer Anklage
aus § 19 Ziffer 1 Preß G. ein Irrtum über die im 87 zit. Gesetzes auferlegten
Pflichten erörtert ist, ebenso in dem Urteil des I. Senats vom 30. Januar 1899,
Entsch. Bd. 32 S. 18, wo bei einer Anklage aus § 146 der GewO. ein Irrtum
über die in den §§ 135, 136 Gew O. statuierten Pflichten in Frage kam, schließlich
in dem Urteil des IV. Senats vom 14. Februar 1905, Entsch. Bd. 37 S. 389, wo
gegenüber einer Anklage aus § 27 Abs. 1 Nr. 1 Post G. die Bedeutung eines
Irrtums über die Bestimmung der 8§ 1 und 2 PostG. klargelegt ist.