b) In den Fällen der oben unter 1 b beschriebenen Gesetzestechnik
(Blankettstrafgesetz) hängt die Bedeutung der blankettausfüllenden Norm für
den „Strafgesetzbegriff“ davon ab, was unter „Strafgesetz“ im Sinne der reichs-
gerichtlichen Irrtumslehre zu verstehen ist. Lobe hält es in dieser Be-
ziehung für von vornherein selbstverständlich, daß erst die Verbindung der
Strafdrohung mit der zu ihr gehörigen Norm das Strafgesetz ausmache. Eines
ohne das andere bliebe ein Torso, insbesondere sei auch hier niemals die bloße
so in einem Fall der Irrtum über die Höchstpreisfestsetzung des Bundesrats ein
strafrechtlicher ist, während er sich in anderen Fällen als außerstrafrechtlicher darstellt,
ist insofern bedauerlich, als dadurch die Rechtslage unnötig kompliziert wird.
Große praktische Bedeutung wird allerdings die Differenz nicht haben. Ein
solches für einen bestimmten Handelskreis bestimmtes Gesetz wird schwerlich von
jemandem übertreten, der sich in einer auch nur einigermaßen glaubwürdigen
Weise auf die Nichtkenntnis der betreffenden Höchstpreisfestsetzung berufen könnte.
Wäre es allerdings richtig, was v. Hippel, Vergleichende Darstellung des
deutschen und ausländischen Strafrechts, Allgemeiner Teil, Bd. III S. 555 sub c,
behauptet, daß nämlich das RG. neuerdings gelegentlich auch die Unterscheidung
zwischen strafrechtlichem und außerstrafrechtlichem Rechtsirrtum für unanwendbar
erklärt und jeden Rechtsirrtum als erheblich betrachtet habe, so könnte man
allerdings auch versucht sein, für einen Fall wie den vorliegenden — Irrtum über
eine in einem Spezialhöchstpreisgesetz erfolgte Höchstpreisfestsetzung — vom RG.
ein gleiches zu fordern. Insbesondere weil gerade in dem Urteil, auf das sich
v. Hippel für seine Ansicht beruft, auch ein Tatbestand in Frage stand, bei dem
es sich um eine im Wirtschaftsleben zu beachtende Norm handelte. Indes läßt das
von v. Hippel zit. Urteil, das ihm im übrigen als „Warnung“ vor dex Rechts-
irrtums-Theorie des RG. dient, in keiner Weise den Rechtssatz erkennen, den
v. Hippel ihm entnehmen zu können glaubt. Es handelte sich in dem be-
treffenden Fall (Urteil des II. Senats vom 8. November 1907, Entsch. Bd. 40
S. 373) um einen Irrtum über die Abgabepflicht auf Grund des §#2 des Salz-
abgabengesetzes vom 12. Oktober 1867, das eine Bestrafung wegen vorsätzlicher
Hinterziehung (Defraudation) durch eine Sonderbestimmung (8 13 zit. Gesetzes)
ausschließt, wenn der Beschuldigte nachweist, daß er eine Defraudation nicht habe
verüben wollen. Mit Recht wird deshalb vom RG. für den Fall, daß der
Täter seine Handlung nicht als Defraudation ansieht, weil er über seine Abgabe-
pflicht im Irrtum war, das Fehlen einer Vorsätzlichkeit angenommen. Der Vorsatz
wird hier also vom RG. nur verneint, weil das konkrete Delikt nach einer aus-
drücklichen Vorschrift des schon vor dem St G. entstandenen Salzabgabengesetzes
mur begehbar ist, wenn der Täter den Willen hat, eine von ihm erkannte Abgabe-
pflicht nicht zu erfüllen. Wegen dieser positiven gesetzlichen Regelung des für
dieses Delikt erforderten Vorsatzes wird vom RG. die Bedeutung des Irrtums
über eine in demselben Gesetz, wenn auch in einer anderen Vorschrift, aus-
gesprochene Verpflichtung anders beurteilt als in andern Fällen: anders nämlich
als in den Fällen, in denen das Gesetz die Kenntnis einer von ihm statuierten Ver-
pflichtung nicht ausdrücklich als Voraussetzung eines vorsätzlichen Tuns hinstellt.
Auf einer Ausnahmevorschrift eines Sondergesetzes beruht also die Bestimmung
des Vorsatzes, die das RG. diesem Urteil zugrunde legt. Eine Abweichung des vom
RWG. eingenommenen prinzipiellen Standpunkts kann demnach keinesfalls mit
v. Hippel der Entscheidung entnommen werden.