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Die sich so ergebende Erkundigungspflichtsb) des Gewerbe—
treibenden bestimmt in einer besonders hervorstechenden, keineswegs aber
erschöpfenden Weise den Inhalt der Sorgfaltspflicht des Gewerbetreibenden.
Insbesondere gehört auch zur Erfüllung der ihm obliegenden Sorgfalt, daß er
in hinreichender Weise Maßnahmen trifft, die eine Übervorteilung des Publikums
durch seine Angestellten nach Möglichkeit ausschließen. So kann es ihm
unter Umständen als eine fahrlässige Höchstpreisüberschreitung zur Last fallen,
wenn ein Angestellter deshalb einem Kunden einen höheren Preis abfordert,
weil entgegen polizeilichen Vorschriften nicht an jedem der feilgehaltenen Gegen-
stände der Verkaufspreis angebracht ist.“)
2. Werden danach in Kriegszeiten an die Vielseitigkeit der Kraftanstrengung
des einzelnen größere Zumutungen zu stellen sein als in Friedenszeiten, so darf
dies doch nicht dazu führen, daß man an die Stelle des „billigerweise“ von
dem Handelnden erforderten Maßes von Aufmerksamkeit und Rücksicht auf das
Allgemeinwohl?) einen sogenannten „strengsten Maßstab“ setzt. Auch von einem
„ganz polizeimäßigen Bürger“ (Otto Mayer) kann keine größere als die nach
den Umständen gebotene und mögliche Sorgfalt verlangt werden. Wenn auch
das Maß der Sorgfalt, welche von dem einzelnen zu erfordern ist, als ein
besonders hohes bezeichnet werden muß, so darf dies doch nicht zu einer der-
artigen Verflüchtigung des Schuldbegriffs führen, daß das, was über den
objektiven Tatbestand hinaus zur Schuldigsprechung erfordert wird, jedes greif-
baren Moments entbehrt. Wenn in der gerichtlichen Praxis bei reinen Polizei-
übertretungen oft eine solche Strenge zu beobachten ist, daß geradezu die Ansicht
aufkommen konnte, das Polizeidelikt setze überhaupt keine Schuld voraus, so
daß die bloße Verursachung der Polizeiwidrigkeit genüge, um strafbar zu sein,“)
so mochte das mit Rücksicht auf die niedrigen gesetzlichen Strafandrohungen
werden kann, erkennt ausdrücklich das Bayer. Oberste Landesgericht in einem
Urteil vom 24. Mai 1917 in JW. 1917 S. 861 = L3. 1917 S. 1270 sub 4 an.
5b) Damit, daß man eine Erkundigungspflicht anerkennt, ist nicht aus-
gesprochen, daß die Unterlassung einer Ratseinholung stets schuldhaft sei. Schuld-
haft ist sie nur, wenn der Täter nach den Umständen sich eines Rates bedüxftig
fühlte oder fühlen mußte, sich also der Unzuverlässigkeit oder Unsicherheit der eigenen
Veinung bewußt sein mußte oder konnte. Das Verschulden entfällt auch, wenn dem
Taer schuldlos Personen oder Stellen zur Ratserteilung nicht bekannt waren.
So ausdrücklich IV. Senat vom 6. Juli 1917 in „Recht“ 1917 S. 556.
6) Die Außerachtlassung einer derartigen Verpflichtung erfüllt im übrigen
nur dann den Tatbestand einer Übertretung des HöchstprG., und zwar der Ziffer 6
des § 6, wenn in landesgesetzlichen AusfBest. die Gewerbetreibenden ausdrücklich
angehalten werden, die Verkaufspreise an den Waren anzubringen.
7) IV. Senat vom 23. März 1897, Entsch. Bd. 30 S. 25 auf S. 28.
8) Daß ein solcher Eindruck auf Grund der Rechtsprechung in Polizeisachen
entstanden ist, stellt Otto Mayer a. a. O. S. 278 ausdrücklich fest. Er scheint
aber diesen Eindruck für einen trügerischen zu, halten. Darüber läßt sich streiten.
Soll ein Verschulden des Täters im Einzelfall festgestellt werden, so ist es meist
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