135
Vermeiden können voraus, so daß stets auch dieser subjektive Maßstab
heranzuziehen ist.23) Die Fähigkeiten und Kenntnisse des individuellen Täters,
sowie der Grad seiner Einsicht und Urteilsfähigkeit sind in gleicher Weise zu
berücksichtigen. Für das Strafrecht gilt nicht die Präsumtion, daß derjenige,
der ein Amt hat, auch den nötigen Verstand besitzt.:") Deshalb kann es sehr
wohl vorkommen, daß in einem besonderen Fall gerade einer derjenigen Ge-
werbetreibenden frei ausgehen muß, die infolge des Krieges ihren bisherigen
Beruf mit dem Beruf des Händlers vertauscht oder sich jedenfalls einer ihnen
bis dahin unbekannt gewesenen Branche zugewandt haben. Der Mangel an
Kenntnissen, der bei diesen Personen auf einem Mangel an Erfahrung beruht,
kann ihnen so unter Umständen strafrechtlich zum Vorteil gereichen. Vor allem
ist natürlich die durch die Berücksichtigung eines individuellen Maß-=
stabes gezogene Fahrlässigkeitsgrenze bei der Beurteilung eines einem An-
gestellten zur Last gelegten Verschuldens neben den — bereits oben
unter 3 — hervorgehobenen Gesichtspunkten mit in Betracht zu ziehen.
23) S. v. Hippel a. a. O. S. 568, Kohler, Leitfaden S. 57 (unter Be-
tonung, daß sich gerade dadurch die strafrechtliche Fahrlässigkeit von der zivilrecht-
lichen unterscheide), v. Liszt § 42 S. 188, Frank zu § 59 VIII sub 2 S. 146,
Olshausen Nr. 17 sub b, sowie Urteile des II. Senats vom 30. Juni 1885,
Entsch. Bd. 12 S. 317 auf S. 318, vom 12. Februar 1892, Entsch. Bd. 22 S. 357
auf S. 358, vom 6. April 1906, Entsch. Bd. 38 S. 408 auf S. 411, I. Senat vom
3. Mai 1906, Entsch Bd. 39 S. 2 auf S.ö, sowie die in der vorigen Anmerkung
angeführten Entscheidungen.
24) A. M.: Liepmann a. a. O. S. 146.