27
Der Wortlaut dieses Artikels, so erklärt das RG., stellt den Umfang der
vollziehenden Gewalt klar. Danach könne es nicht zweifelhaft sein, daß in
diesem Artikel die Befugnis zum Erlaß der zur Ausführung der Gesetze
„nötigen“ Verordnungen, wozu auch die Höchstpreisfestsetzungen gehörten, als
ein Bestandteil der „vollziehenden Gewalt“ hingestellt und erläutert werde.
Unterstellt, daß tatsächlich der Artikel 45 den Umfang der „vollziehenden
Gewalt“ generell — jedenfalls nicht in Beschränkung auf die vollziehende Ge-
walt des Königs — klarstelle, so müßte man nach der nunmehr als unbedingt
herrschend anzusehenden Ansicht 17) dem Militärbefehlshaber auch die Be-
fugnis zum Erlaß bindender Rechtsnormen zusprechen, sowie ihm an Stelle des
Königs die Verkündigung der Gesetze zustehen, ja sogar ihm die Befugnis
einräumen, an die Stelle der vom König ernannten Minister andere zu setzen.
Daß das nicht im Sinne des § 4 BelZust G. liegt, braucht nicht erst durch seinen
Wortlaut bewiesen werden.
Es ist denn auch unrichtig, wenn das RE. im Artikel 45 der Preußischen
Verfassung eine dem § 4 Belust G. unterzulegende Definition des Begriffs
der vollziehenden Gewalt findet. Ob die Sätze 2 und 3 des Artikels 45 nur
erläutern wollen, was Satz 1 dieses Artikels unter vollziehender Gewalt ver-
steht, oder ob sie nicht etwa, wie anzunehmen ist, als Ergänzung des im
Satz 1 Gesagten zu denken sind, — mag zunächst einmal ganz dahingestellt
bleiben. Jedenfalls handelt der Artikel 45 nur von der vollziehenden Gewalt
des Königs, und was von dieser gilt, kann keinesfalls ohne weiteres auch
für die vollziehende Gewalt anderer Personen gelten. In dieser Beziehung
würde es nicht einmal etwas ausmachen, wenn die Militärbefehlshaber ihre
vollziehende Gewalt vom König von Preußen herleiten würden; aber das ist
nicht einmal der Fall, nachdem das Preußische Gesetz zum Reichsgesetz erhoben
ist. Vom Kaiser als dem militärischen Oberbefehlshaber leitet der einzelne
Militärbefehlshaber seine Stellung her.18)
Zur vollziehenden Gewalt gehört an sich lediglich die Tätigkeit der Ver-
waltung zur Ausführung des Gesetzes.) Die Befugnis zur Gesetzgebung
ist schon begrifflich nicht in der vollziehenden Gewalt enthalten. Die
vollziehenden Gewalt, also nicht als Inhaber des Notverordnungsrechts des § 9b
Bel Zust G. auftritt, auch die Berechtigung einräumen, mit der Höchstpreisfestsetzung
andere Behörden zu betrauen. Daß der Militärbefehlshaber hierzu legitimiert sei,
nimmt auch die letztzit. Entsch. des RG. an, die im übrigen — in Übereinstimmung
mit dem Urteil des IV. Senats vom 8. Oktober 1915, Entsch. Bd. 49 S. 280 auf
S. 282 — die Zulässigkeit einer Delegation des Notverordnungsrechts des § 9b
BelZust G. verneint.
17) S. die Nachweise bei Arndt, die Verfassungsurkunde für den Preußischen
Staat, 7. Aufl., zu Artikel 45 unter 4.
18) Weil mit der Erklärung des Belagerungszustandes die vollziehende Ge-
walt von den Einzelstaaten auf das Reich, von dem Landesherrn auf den Kaiser
übergeht. S. Hänel, Deutsches Staatsrecht, I. S. 439.
19) Vgl. Meyer-Anschütz, Deutsches Staatsrecht, 6. Aufl., § 8 S. 27.