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Praxis in der Friedenszeit im allgemeinen fremd. Ungeachtet der Frage, ob
die eigene Arbeit und das Risiko eine irgendwie nennenswerte Steigerung
erfuhren, pflegte in der Regel der teuren wie der billigen Ware ein gleicher
Prozentsatz zugeschlagen zu werden.#s) Ließ sich aber einmal eine Verschieden-
heit des Prozentsatzes feststellen, so war meist sogar nicht die Tendenz zu
beobachten, mit dem Größerwerden des Einstandspreises den Prozentzuschlag
zu vermindern, sondern umgekehrt ihn zu steigern: entsprechend dem höheren
Risiko, das mit dem Handel mit höherwertigen Waren verbunden zu sein
Ppflegt. Kann so nicht verlangt werden, daß da, wo bisher mit Prozentsätzen
als Gewinnzuschlägen gerechnet wurde, nunmehr an die Stelle der Prozent-
sätze der Geldsatz tritt, der sich bei dem üblichen Zuschlag auf den Friedens-
einkaufspreis ergab,:) so wird doch die bereits betonte Tatsache, daß die Be-
deutung eines prozentualen Zuschlags abhängig ist von der Größe des Preises,
dem der Zuschlag gilt, in gewissem Umfang zum Ausgleich gegenüber den oben
unter 1 a bis e hervorgehobenen Momenten mit in Rechnung zu setzen sein. In
welcher Weise läßt sich nicht absolut genau bestimmen.5) Eine mehr oder
338) Für den Buchhandel bemängelt dies zwar schon K. Bücher, Der deutsche
Buchhandel, 3. Aufl., Leipzig 1904, S. 68. Es ist nicht ohne Interesse, zu sehen,
daß dieser Schematismus der Kalkulation sich sogar innerhalb des Arbeits-.
vertrages Geltung verschafft hat, so daß selbst die Höhe des Akkordlohns viel-
fach nicht durch die relative Arbeitszeit bestimmt wird. Belege dafür bei Lotmar,
Arbeitsvertrag, Leipzig 1908, Bd. 2 S. 445 und besonders S. 446 Anm. 1.
3) Daß dies vom RG. und Lobe verlangt werde, ist eine Auffassung, die
sich in Laienkreisen zuweilen anfindet. Vercinzelt mögen auch Juristen in diesen
Irrtum verfallen sein. Und einer, der zur Bekämpfung des RG. — und damit.
zugleich auch Lobes — ein besonderes Schriftchen hat erscheinen lassen, hat sogar
dem RG. die Auffassung unterstellt, es nehme den an der einzelnen Ware im
Frieden zahlenmäßig gezogenen Reingewinn zum alleinigen Vergleichsmaßstab
und fasse diesen zufälligen Betrag als sogenannten „Dauerwert“ des Friedens-
gewinns auf, und erachte jeden im Krieg ihn übersteigenden Betrag als übermäßig
hoch. Daß er das RG. „sogar fragt: im letzten Friedensmonat?“ — es ist Rosen-
thal, Übermäßiger Gewinn, 1917 S. 9 und öfter — erscheint Lobe, Preis-
steigerung, Handel und Reichsgericht, 1917 S. 27, als besonders bemerkens-
wert. Lobe kann denn auch gegenüber dieser Interpretation und einer ähnkichen,
die von einer städtischen Gruppe von Kleinhändlern herrührt, mit Recht antworten,
daß solche Auslegung der Rechtsprechung des RG. ,„völlig verfehlt“ ist (a. a. O.
S. 28). Eine zahlenmäßige Vergleichung des im Kriege gezogenen Reingewinns
mit dem Friedensgewinn verlangten allerdings die „Richtlinien“ des Reichskanzlers
für die auf Grund der Bekanntmachung über Preisbeschränkungen bei Verkäufen
von Web-, Wirk= und Strickwaren vom 30. März 1916 errichteten Schiedsgerichte.
Ganz abgesehen davon, daß diese — gewiß nicht ohne Absicht — im RGl. nicht
publizierten Richtlinien nur eine Verwaltungs= und nicht eine Rechtsverordnung
darstellen, bringen sie deutlich (unter III) zum Ausdruck, daß die Nichtbeachtung
der in ihnen aufgestellten Grundsätze keineswegs mit einem Preiswucher identisch ist.
*5) Soweit Pteisprüfungsstellen mit Prozentsätzen rechnen, ist für den
Detaillebensmittelhandel verschiedentlich ein Aufschlag von 20 3 vom Ein-
kauf — 1635 F vom Verkauf für angemessen erklärt worden. Bei anderen