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minder gefühlsmäßige Schätzung muß den Ausschlag geben. Soll der sich
dabei zahlenmäßig ergebende Gewinnbetrag auf seine Übermäßigkeit geprüft
werden, so wird der einsichtige Beurteiler die Augen auch nicht vor der Tat-
sache verschließen dürfen, daß die Kaufkraft des Geldes und damit auch die
Bedeutung des zahlenmäßigen Geldbetrages gegenüber der Friedenszeit er-
heblich gesunken ist. 35#)
III. 1. In Friedenszeiten hat der Handel nie darauf verzichtet, seine
Preisbestimmungen durch die Marktlage beeinflussen zu lassen. Nicht nur
beim Kleinhändler, dem vielfach schon die Fähigkeit zu selb-
ständiger Kalkulation fehlt, und der sich deshalb häufig ausschließlich
nach dem Marktpreise richtet,'s) sondern auch in kaufmännisch bestorganisierten
Betrieben, insbesondere auch in der In dustrie war die Anpassung an einen
Marktpreis oft geradezu beherrschend.s?) Eine weitreichende Verbandsbildung,
die den Einheitspreis vielsach als Hauptmoment in den Vordergrund ihrer
Bestrebungen stellt, trug dem Rechnung. Sie fragte denn z. B. auch nicht
danach, ob nicht dieses oder jenes Eisenwerk bei Einhaltung der Syndikats-
preise erheblich besser als die anderen abschnitt, weil es infolge des Besitzes
eigener Erzbergwerke seine Produktion an n Roheisen besonders nutzbringend ge—
stalten konnte.
2. Auf die Marktlag e als eines für die Frage der Übermäßigkeit des
Artikeln als Lebensmitteln ist er noch in der Regel etwas höher, nänlich
bis zu 25 2 (s. Obst, Organisation und Tätigkeit der Preisprüfungsstellen,
Leipzig und Berlin 1916, S. 21.) Terhalle gibt in den Mitt. der Preis-
prüfungsstelle für die Provinz Schlesien Nr. 1 vom 30. September 1916 S. 14
für den Kleinhandel als Bruttogewinn 15 bis 25 % an, für den Großhandel
10 3 oder weniger bis zu 3 95.
35 a) Diesem Faktor legt denn auch ein Urteil des III. Senats vom 8. Januar
1917 in L.. 1917 S. 257 — Sächs Arch. 1917 S. 176 = Mitt. für Preisprüsungs-
stellen 1917 S.-12 mit Recht besondere Bedeutung bei. Daneben wird der Gesichts-
punkt wesentlich zu berücksichtigen sein, daß, wer in diesen schwierigen Zeiten sich
bemüht, sein Geschäft aufrechtzuerhalten und durch Ausübung seiner Handels-
tätigkeit, der Allgemeinheit eine volkswirtschaftlich besonders- wertvolle Arbeit
leistet, schon hierfür einen größeren Lohn verdient. So ausdrücklich auch Lobe
S. 22.
36) In der amtlichen Denkschrift der sächsischen Regierung (1902) über die
Besteuerung der Großbetriebe im Kleinhandel ist die Unfähigkeit der Kleinhändler
zu selbständiger Kalkulation ausdrücklich hervorgehoben. Auch bei der Beratung
des preußischen Warenhaussteuergesetzes hat dies der Abgeordnete van der Borght
am 27. Februar 1900 im Preußischen Abgeordnetenhause scharf betont (eine Wieder-
gabe der zitierten Denkschrift und der zitierten Rede findet sich bei Wernicke,
Kapitalismus und Mittelstandspolitik. Jena 1907, S. 240 f. bzw. S. 261 f.);
Töndurya.a. O. S. 15 behauptet ein geringes Interesse der Kleindetaillisten an
einer richtigen, scharfen Kalkulation. Die Beobachtung lehre, namentlich in der
Lebensmittelbranche — der Kaffee sei ein Schulbeispiel dafür —, daß die Detail-
preise in hohem Maße unabhängig seien von den Engrospreisen, sei es, daß sie
stationär blieben, sei es, daß sie Preisschwankungen eigener Art unterlägen.
37) S. Leitner d. a.O. S. 23, Calmes a. a. O. S. 177 unter 3.
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