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dem Gesetze untergelegte Leitmotiv: daß darauf zu sehen ist, ob die Weiter-
veräußerung eine Steigerung der allgemeinen Verkaufspreise zur Folge
hat. Wo das zu verneinen ist, versagt die ratio des Gesetzes und damit dieses
selbst, entsprechend dem alten Rechtssatz: cessante ratione cessat lex ipsa.
So dringt auch in der Rechtsprechung des RE. die vom Gesetz geforderte
Berücksichtigung der Marktlage durch;oa) wenn auch zunächst nur in Gestalt
sogenannter Ausnahmefälle, die ein Abgehen von den der Berücksichtigung der
Marktlage viel zu schroff entgegentretenden Urteilen des III. und IV. Senats
ermöglichen.
IV. Ob der geforderte Preis im Sinne unserer vorstehenden Ausführungen
ein übermäßiger war, kann nur nach dem Zeitpunkt entschieden werden,
in dem er gefordert wurde. Ein großer Gewinn, der einem Kauf-
mann beim Vertrieb einer bestimmten Ware verblieben ist, braucht keineswegs
notwendig eine übermäßige Preissorderung anzuzeigen; umgekehrt kann trotz
eines nicht unerheblichen Verlustes der Tatbestand einer übermäßigen Preis-
sorderung gegeben sein.S#1) Entscheidend ist eben ausschließlich, ob in dem
Zeitpunkt, in dem der Verkäufer den Preis forderte, dieser Preis ihn einen
übermäßigen Gewinn erhoffen ließ. Ware, die erst zu produzieren oder sonst-
wie zu beschaffen, insbesondere einzuführen ist, ist ebenso Gegenstand des
Handelsverkehrs wie die Ware, die der Verkäufer auf Lager genommen hat.
Daß bei der ersten Kategorie von Ware die Selbstkosten in der Regel weniger
unabänderlich feststehen als bei der zweiten Kategorie liegt auf der Hand.
Dort ist der Verkäufer mehr oder minder auf eine Schätzung (Vorkalkulation)
getreten sei. Man kann aber doch wirklich nicht gut sagen, daß für den Angeklagien
schon im Februar 1915 der Gewinn eingetreten sei, den er durch den damals gar
nicht voraussehbaren verspäteten Verkauf im Juli 1916 gezogen hat. Warum
wird nicht an Stelle dieses ebenso komplizierten wie anfechtbaren Gedankengangs
einfach gesagt: mit Rücksicht auf die zur Zeit des Verkaufs vorhandene Marktlage
ist der Gewinn kein übermäßiger gewesen? Analog dem vom Kammergericht hier
entschiedenen Fall liegen die heute nicht seltenen Fälle, daß ein Fabrikant einen
Rohstoff, den er vor längerer Zeit zur Weiterverarbeitung erworben hat, deshalb
zum Verkauf stellt, weil ihm die zu seiner Fabrikation erforderlichen Rohstoffe
fehlen. Es ist gewiß nicht schwer, diesen Fall unter dieselbe Schablone zu pressen,
die das Kammergericht für den von ihm entschiedenen Fall heranzog. Einem un-
komplizierten natürlichen Rechtsempfinden mehr entsprechend ist hier aber die Be-
rücksichtigung der Marktlage unter dem Gesichtspunkt: daß es dem Kaufmann, der,
ohne die Ware zurückgehalten zu haben, sie deshalb der Allgemeinheit zuführt, weil
er sie zur Zeit nicht benötigt, sie aber voraussichtlich später zu kaum gesunkenen
Preisen wieder beschaffen muß, nicht zugemutet werden kann, sie anders als zu dem
jetzigen Marktpreis abzugeben. Es heißt eine Prämie auf die Zurückhaltung setzen,
wenn man in solchen Fällen vom Kaufmann verlangen will, daß er die Ware zu
seinem früheren Einkaufspreise zuzüglich eines kleinen Gewinnaufschlags abgebe.
6 )In gewissem Sinne wird der Marktlage auch Rechnung getragen, wenn
die Warenknappheit als ein berechtigter Kalkulationsgesichtspunkt anerkannt wird.
Das tut das Urteil des III. Senats vom 8. Januar 1917, L3. 1917 S. 257 —
Sächs Arch. 1917 S. 176 — Mitt. für Preisprüfungsstellen 1917 S. 12.
e) Vgl. das oben unter 1 3 S. 58 Gesagte.