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der Selbstkosten und des erzielten Gewinns angewiesen, während er hier (bei
der Nachkalkulation) den wirklichen Selbstkostenpreis im wesentlichen — d. h.
abgesehen von einem Teil der sog. Zusatzkosten —s2) zuverlässig bestimmen kann.
Gerade in der Kriegswirtschaftszeit muß aber die Vorkalkulation (Voranschlag)
oft höchst ungewisse Faktoren in Rechnung setzen. Kaum ungefähr kann z. B.
der Seifenfabrikant, der einen Sulzessivlieferungsvertrag abschließt, berechnen,
ob und zu welchem Preise er diese oder jene für seine Fabrikation erforderlichen
Bestandteile in Zukunft zu beziehen vermag. Nicht die Preise, wie sie beim
Geschäftsabschluß für die einzelnen Bestandteile handelsüblich waren, sondern
wie sie nach einer voraussichtlichen Schätzung der weiteren Preisentwicklung in
Zukunft zu zahlen waren, können also hier allein bei Nachprüfung der UÜber-
mäßigkeit des geforderten Preises in Rechnung gesetzt werden.
Ist der Preis auf Grund einer einwandfreien Kalkulation bestimmt
worden, so ist der Kaufmann auch nicht etwa zu einer nachträglichen Herab-
setzung dieses Preises verpflichtet, wenn er infolge besonderer Glückszufälle
sich später die Ware zu einem Preise beschaffen kann, der hinter seiner Selbst-
kostenkalkulation zurückbleibt. Wenn das Gesetz dem „Fordern“ das „Sich-
gewährenlassen“ gleichstellt, so kann daraus nichts für das Gegenteil gefolgert
werden. Denn offensichtlich sollen durch diese Alternative lediglich die Fälle
getroffen werden, wo die Preisbestimmung scheinbar einseitig von seiten des
Käufers geschieht, dieser aber nur deshalb den hohen Preis gewährt, weil er
sonst die Ware nicht vom Verkäufer bekommen würde. Das Urteil des
V. Senats vom 13. Februar 1917, a) das „mit Rücksicht auf die besondere.
Lage des Falles nicht den Zeitpunkt der Preisvereinbarung, sondern den-
jenigen der Zahlungsaufforderung“ von seiten des Verkäufers zugrunde gelegt
hat, dürfte dem nicht entgegenstehen.s?b) Lobec-ec) glaubt, das Urteil recht-
fertigen zu können, weil es sich um einen Verkauf auf sofortige Lieferung
handelte. Sieht man sich den dort entschiedenen Tatbestand genau an, so
wird man als den Gesichtspunkt, auf dem wesentlich die Entscheidung beruht,
62) Wegen dieses Begriffs s. oben Anm. 5 S. 3.
62a) E. 50 S. 228 = JW. 1917 S. 367 Sub 4 = Saächs Arch. 1917 S. 178
— Mitt. für Preisprüfungsstellen 1917 S. 45.
62b) Das Urteil hat starke Anfechtung insbesondere mit Rücksicht auf den
Schlußpassus erfahren, in dem zur Rechtfertigung der Entscheidung gesagt ist:
„Daß auf diese Weise dem Verkäufer die Gefahr des Verlustes unbeschränkt über-
bürdet, die Gewinnaussicht aber gekürzt wird, steht der Auslegung des Landgerichts
nicht entgegen. Denn diese Wirkung ist mit der Verordnung gegen übermäßige
Preissteigerung auch sonst in jedem Falle notwendig verbunden.“ Eine besonders
scharfe Kritik hat dieses Urteil gefunden in der Eingabe der Altesten der Kauf-
mannschaft von Berlin vom 24. März 1917 an den Reichskanzler und in der Ant-
wort derselben Korporation auf den Offenen Brief von Lobe, 1917 S. 13ff.
Lehmann a. a. O. S. 40 bezeichnet die hier vom R. aufgestellte Forderung
als „am allerbedenklichsten", und auch Obst, „Was ist Kriegswucher?“ 2. Aufl.,
1917 S. 45, lehnt sie ab. Ebenso Samson a. a. O. S. 26. Der V. Senat
hat in einer neueren Entscheidung den hier ausgesprochenen Gedanken zwar nicht
ausdrücklich, aber doch dem Sinne nach unzweideutig aufgegeben.
62c) Preissteigerung, Handel und RG. S. 9.