92 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches.
stehenden, einem Zwecke der Wohltätigkeit gewidmeten Fonds gewährt
werden. Vorsteher, welche diese Auskunft innerhalb einer 14tägigen
Frist, von Empfang der seitens der Gemeindebehörden ergangenen
Aufforderung an gerechnet, zu erteilen unterlassen, werden mit einer Geld-
strafe bis zu dreißig Mark bestraft, auf welche Strafe eventl. von
den Gerichten zu erkennen ist (§ 6 AG. MI.)
Die Verwaltungs= und Polizeibehörden sind verpflichtet, innerhalb
ihres Geschäftskreises den Armenverbänden behufs der Ermittlung der
Heimats-, Familien= und Aufenthaltsverhältnisse eines Hilfsbedürftigen
auf Verlangen behilflich zu sein (§ 63).
Ist ein Armenverband zur Zahlung der ihm endgültig auferlegten
Kosten laut Bescheinigung der ihm vorgesetzten Behörde ganz oder
teilweise außerstande, so hat der Bundesstaat, welchem er angehört,
entweder mittelbar oder unmittelbar für die Erstattung zu sorgen (§ 59).
In Preußen sind die Landarmenverbände durch § 36 A. zu Bei-
hülfen an unvermögende Ortsarmenverbände verpflichtet.
§ öl. Aufsichtsbehörden.
Über die Ortsarmenverbände wird die Staatsaufsicht nach Maßgabe
der Gemeindeverfassungsgesetze geführt, über die städtischen vom
Regierungspräsidenten (in Berlin vom Oberpräsidenten), über die
ländlichen vom Landrat (ZG. 8§§ 7, 24). Die Aussicht über die
Landarmenverbände, soweit sie mit den Provinzialverbänden zusammen-
fallen, führt der Oberpräsident und in der höheren Instanz der
Minister des Innern (Prov.Ordn. §#§ 114 ff.).
Sechstes Kapitel.
§ 52. Staatsbürgerpflichten.
Pflichten, die sich aus dem Staatsbürgerrecht ergeben,
entspringen aus der Untertaneigenschaft. Letztere umfaßt einen In-
begriff von Pflichten, die einem Inländer dem Staate gegenüber obliegen.
Von diesen Pflichten sind hervorzuheben:
a) Die Treuepflicht, d. h. die Pflicht, alle Handlungen zu unter-
lassen, die auf eine Schädigung des Staates oder dessen Oberhauptes
hinzielen. Unter Umständen kann in der Verletzung dieser Pflicht
Hochverrat, d. i. der verbrecherische Angriff gegen das Staatshaupt,
die Staatsverfassung oder das Staatsgebiet, oder militärischer Landes-
verrat, d. i. die Aufreizung eines fremden Staates zum Kriege gegen
das Deutsche Reich und die Unterstützung im Kriege, oder diplomatischer
Landesverrat, d. i. Mitteilung von Staatsgeheimnissen, Vernichtung
von Aktenstücken und doloses Handeln bei Verträgen (§88 80—93
RStE#B.), oder endlich auch Majestätsbeleidigung liegen.
b) Die Gehorsamspflicht. Hierunter versteht man die Pflicht,
den Gesetzen und den von den obrigkeitlichen Organen in ihrer Zu-
ständigkeit erlassenen Befehlen Gehorsam zu leisten. Unter Umständen
kann bei Verletzung dieser Pflicht strafrechtliche Ahndung wegen Wider-
standes gegen die Staatsgewalt gemäß § 113 RSt G. liegen.