§ 53. Der Kreiser. 93
c) Die Wehrpflicht, d. h. die Pflicht aller Deutschen zur Dienst-
leisung in der bewaffneten Macht.
4) Die Steuerpflicht, d. h. die Pflicht aller Staatsangehörigen
zur Leistung von Beiträgen aus ihrem Privatvermögen für die Be-
dürfnisse des Staates.
Siebentes Kapitel.
Die Bundesgewalt.
A. Die Organe der Bundesgewalt.
8 58. a) Der Kaiser.
Das Präsidium des Bundes steht nach NV. Art. 11 dem Könige
von Preußen zu, welcher den Namen „deutscher Kaiser“ führt. 1)
I. Rechtliche Stellung des deutschen Kaisers.
1. Der Kaiser ist nicht Souverän des Deutschen Reichs, aber er hat
das Reich völkerrechtlich zu vertreten. Träger der Souveränität sind
„die verbündeten Regierungen“. Kraft des Präsidiums „im Namen
des Reichs“ übt er einzelne (in Verfassung oder Gesetz) besonders
genannte Rechte der Reichsstaatsgewalt aus (Jura singularia, Sonder-
rechte). Infolgedessen hat er
2. die Leitung der Reichsregierung. Er hat insbesondere den
Bundesrat und den Reichstag zu berufen und zu verabschieden (RV.
Art. 12), den Reichskanzler und den Statthalter zu ernennen (N.
Art. 15), die Reichsgesetze auszufertigen und zu verkünden und ihre
Ausführung zu überwachen (Art. 17, 36), vielfach auch die zu diesem
Zweck erforderlichen Ausführungsverordnungen zu erlassen. Der Kaiser
ernennt die Reichsbeamten (RV. Art. 18) und gewisse Klassen von
Offizieren. Ihm steht zu: die Ausführung der Bundesexekution (Art. 19),
die obere Leitung der Post= und Telegraphenverwaltung (Art. 50), die
Aufsicht über das Konsulatwesen (Art. 50), der Oberbefehl über die
Marine und das deutsche Heer (Art. 53, 63), auch die Erklärung
des Kriegszustandes (Art. 68). Er übt die Staatsgewalt in Elsaß-
Lothringen, Schutzgewalt in den Schutzgebieten und in folgenden Fällen
das Begnadigungsrecht aus:
Dem Kaiser ist das Begnadigungsrecht eingeräumt in bezug
a) auf Strafurteile der Marinegerichte (Mil.-Str.-Ger.-Ordn. vom
1. Dez. 1898, RBl. S. 1189, 9 424 ff.),
b) aur Urteile der Prisengerichte (V. vom 15. Febr. 1889, RGl.
S. 5 § 27),
) auf Strafurteile des Reichsgerichts als erster und letzter Instanz
(St PO. §8§ 484, 485 verbunden mit GG. 8§ 146).
d) auf Strafurteile der Konsuln oder Konsulargerichte als erster
1) Daß als Name nicht Kaiser von Deutschland gewählt ist, hängt damit zu-
sammen, daß der Kaiser nicht Alleinsouverän von Deutschland ist. Vgl. Fürst
Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. S. 119.