Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

§ 56. Die Reichsbehörden. § 57. Der Reichskanzler. 111 
Behörden, welche zwar Reichsangelegenheiten besorgen, dies aber im 
Namen der Einzelstaaten tun, sind Landesbehörden. Dies trifft 
zu für die Rechtspflege und Zollerhebung, deren Gestaltung und 
Regelung durch Reichsgesetze erfolgt ist. 
Sämtliche Reichsbehörden sind zentralisiert und stehen teils in un- 
mittelbarer, teils in mittelbarer Unterordnung unter dem Kaiser. 
Als unmittelbare Zentralbehörde gilt allein der Reichs- 
kanzler. 
Unter den mittelbaren Zentralbehörden sind voneinander 
zu trennen 
1. die Behörden der aktiven Reichsverwaltung; 
2. die Behörden der Reichsverwaltungsgerichtsbarkeit; 
3. selbständige Reichsfinanzbehörden. 
II. Die Mitglieder der Reichsbehörden sind in der Regel auch 
Reichsbeamte d. h. vom Kaiser angestellt oder nach der Vorschrift 
der Reichsverfassung (RLG. 8 1) verpflichtet, dessen Anordnungen 
Folge zu leisten. Nur ausnahmsweise gibt es Reichsbehörden 
1. die nicht ausschließlich mit Reichsbeamten besetzt sind, z. B. das 
Reichsbankkuratorium; 
2. deren Mitglieder nicht vom Kaiser oder in dessen Auftrag ernannt 
werden, z. B. drei Mitglieder des Reichsbankkuratoriums vom Bundes- 
rate (Bankges. § 25), die unteren Ämter der Post= und Telegraphen= 
verwaltung von den Bundesstaaten (Art. 50). 
Eine eigenartige Vereinigung zwischen einzelstaatlicher und Reichs- 
behörde findet sich bei dem Rechnungshof des Deutschen Reiches, 
welcher mit der preußischen Oberrechnungskammer unter einem gemein- 
schaftlichen Präsidenten verbunden ist. Im übrigen bearbeitet der 
Rechnungshof seine Angelegenheiten selbständig in getrennten Sitzungen 
unter einem besonderen Direktor. 
§ 57. 9) Der Reichskanzler. 7 
1. Die rechtliche Stellung des Reichskanzlers. 
Bei dieser ist zu scheiden: 
a) seine Stellung innerhalb des Bundesrats; 
b) seine Stellung außerhalb des Bundesrats. 
Zu a) ist der Kanzler 
a) Vorsitzender. Er „tleitet“ als solcher „die Geschäfte“ und 
fungiert als Reichsbeamter kraft kaiserlicher Berufung (RV. Art. 15); 
6) einfaches Mitglied, als von Preußen Bevollmächtigter, der 
eine der 17 preußischen Stimmen führt. Insoweit ist der Kanzler 
preußischer Landesbeamter und zwar auf Grund der Verfassungs- 
bestimmung (RV. Art. 15 Abs. 2), ohne daß es besonderer Ernennung 
oder Bevollmächtigung bedarf?; 
1) Vgl. Laband StR. §§ 30, 40. Wandlungen der deutschen Reichsverf. Dresden 
1895 S. 9 ff. Hänel, Studien z. deutschen Staatsr. Leipzig. 1880. Bd. 2 S. 19 ff. 
Rosenberg, Staatsrechtl. Stellung des Reichskanzlers (1889). Preuß, Organ. Be- 
deutung der Art. 15 u. 17. NV. i. d. Zeitschr. f. d. gesamt. Staatswissensch. 
1889 S. 420 ff. Hübler, die Organisation der Verw. Berlin 1898. § 30 S. 75 ff. 
2) A. M. Hübler, a. a. O. § 30 S. 75.
	        
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