g 68. Mittelbare Zentralbehörden (Ressortbehörden). 113
6) besondere Spezialstellvertreter (aus den Vorständen der obersten
Reichsbehörden) für die ein zelnen Ressorts dieser Verwaltung.
Die Stellvertreter sind befugt, die Gegenzeichnung für kaiserliche
Regierungsakte zu leisten und sind für ihre Geschäftsführung in derselben
Weise wie der Kanzler verantwortlich. Doch kann der Kanzler während
der Dauer der Stellvertretung jede Sache an sich ziehen und selbst
erledigen. Auch verbleibt ihm immer die Verantwortlichkeit für die
Gesamtleitung der Politik.
3. Besondere Rechte des Reichskanzlers.
a) Er kann jederzeit unter Gewährung des gesetzlichen Wartegeldes
einstweilig in den Ruhestand versetzt werden, desgleichen auch
ohne Vorliegen von Dienstunfähigkeit entlassen werden, wobei er schon
nach zweijähriger Dienstzeit pensionsberechtigt ist (sonst ist zehnjähriger
Dienst und Dienstunfähigkeit erforderlich) RBG. 88 25, 35.
b) Er darf nur mit Genehmigung des Kaisers außerhalb seines
Amtssitzes oder Aufenthaltsortes als Zeuge oder Sachverständiger ver-
nommen werden (ZPO. 88 382, 402; St PO. 8§§ 49, 72).
c) Er soll nicht zu dem Amte eines Schöffen oder Geschworenen
berufen werden (GVG. 88§ 34, 85).
Zur Unterstützung des Reichskanzlers dient ein eigenes unmittel-
bares Büreau, die Reichskanzlei (Chef, 1 vortragender Rat und
Büreaubeamte), welches, zurückgeblieben von der Zentralabteilung des
ehemaligen (Bundes-Reichskanzleramts, den amtlichen Verkehr des
Reichskanzlers mit den Chefs der einzelnen Ressorts zu vermitteln hat.
8 58. 7, Mittelbare Zeutralbehörden. (Ressortbehörden.)
Allgemeines ½).
1. Geschichtliches.
Bei Gründung des Norddeutschen Bundes wurde nur eine einzige,
einheitliche oberste Verwaltungsstelle, das Bundeskanzleramt, ins
Leben gerufen (12. August 1867). Dasselbe bestand aus 3 Abteilungen,
der Zentralabteilung, Generalpostamt, Generaltelegraphenamt, hatte als
Vorstand einen dem Bundeskanzler untergebenen Präsidenten und an
der Spitze der Abteilungen Direktoren. Auswärtige und Marine-
angelegenheiten wurden damals noch von den betreffenden preußischen
Ministerien erledigt.
Seit dem 12. Mai 1871 wurde das Bundeskanzleramt nunmehr
Reichskanzleramt genannt, und es wurde durch die neu geschaffenen Ab-
teilungen für Elsaß-Lothringen und das Justizwesen erweitert. Mit
der immer mehr zunehmenden Geschäftslast wurden allmählich eine
Reihe von besonderen Ressortbehörden (Zentralverwaltungsbehörden),
welche auch weiterhin dem Reichskanzler unterstellt blieben, abgezweigt.
Inzwischen waren neben das Reichskanzleramt eine Reihe oberster
Verwaltungsbehörden gestellt worden, so 1871 das Auswärtige Amt des
1) Vgl. Meyer a. a. O. S. 421; Laband, Staatsr. des Deutsch. Reiches 3. Aufl.
1903. Bd. 1 S. 349 88 13, 14; Zorn a. a. O. Bd. 1 S. 251; Seydel a. a. O.
S. 175; Arndt a. a. O. S. 147. Ferner Allerh. Erlasse vom 12. August 1867,
12. Mai 1871, 24. Sept. 1879. Verordnung vom 22. Dez. 1875.
Altmann, Handbuch der Verfassung I. 8