Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

2 1. Buch. 1. Abschnitt. Staatsrechtliche Grundlagen. 
8 2. Begriff des Staates. 
Staat (kommt vom lat. status-Zustand) ist „das seßhafte, rechtlich 
organisierte, zur Einheit erhobene Volk“.!) Im Gegensatz dazu ist 
die Gesellschaft die faktische Gliederung des Volkes, die Summe der 
besonderen Lebenskreise, in welchen die einzelnen Volksgenossen ihre 
egoistischen Interessen zu erreichen suchen. Die einzelnen Volksgenossen 
können miteinander verbunden sein durch gleiche Abstammung, Sitte, 
Sprache, Religion. In diesem Falle spricht man von Nation. 
Drei Nerkmale gehören zum Begriff des Staates: 
.Volk. 
2. Staatsgebiet. Darunter versteht man das festbegrenzte, zu 
einem Staate gehörige Land. Diese Zugehörigkeit, ebenso aber auch 
der Inbegriff der daraus entspringenden Hoheitsrechte der Staats- 
gewalt über ihr Gebiet, heißt Gebietshoheit und als völkerrechtlich 
anerkanntes und geschütztes Verhältnis internationales Staats- 
eigentum. Sie erstreckt sich nicht bloß auf das innerhalb der 
Grenzen belegene feste Land, sondern auch auf die von ihnen ein- 
geschlossenen Gewässer, insbesondere die Flüsse (fließende Gebietsteile). 
Die Staatsgrenzen sind teils Naturgrenzen, wie Gebirge, 
Flüsse, das Meer, teils künstliche, wie Grenzsteine und Gräben. 
Bei Grenzgebirgen gilt im Zweifel der Gebirgskamm als die eigent- 
liche Grenze. Bei Grenzflüssen gilt als solche im Zweifel die Mittel- 
linie (bei Brücken die Mitte derselben), bei schiffbaren Flüssen ge- 
wöhnlich die Fahrstraße, der sog. Talweg, der als neutral be- 
zeichnet wird in dem Sinne, daß keinem der beiden Nachbarstaaten 
eine ausschließliche Jurisdiktion auf demselben zukommt. Ebenso ent- 
scheidet die Mittellinie im Zweifel auch bei Landseen zwischen den 
gegenüberliegenden Uferstaaten. Besonderes gilt beim Bodensee. Er ist 
gemeinschaftliches (neutrales) Gebiet der 5 beteiligten Uferstaaten (Baden, 
Württemberg, Bayern, Schweiz, Osterreich). Manche wollen allerdings 
am Bodensee räumliche Trennung zwischen den 5 Staaten gelten lassen. 
Über das Meer und dessen Grenzen bestehen besondere Rechts- 
normen. 
Schon den Römern galt das Meer als Gemeingut aller, sie zählten 
es zu den communia omnium. Auch heute steht das offene 
Meer allen Nationen ohne Unterschied zum Gebrauch, zur Schiffahrt, 
Fischerei offen. Allerdings hat es vorübergehend an Versuchen nicht 
gefehlt, gewisse Meere wenigstens von dem freien Wettbewerb aus- 
zuschließen. So haben im 17. Jahrhundert Portugal und Spanien 
an den ost= und westindischen Meeren, Venedig am adriatischen Meer, 
England an den es umgebenden Meeren Eigentumsrechte behauptet. 
Gegen diese Versuche, die Meeresfreiheit einzuschränken, hat sich vor 
allem Hugo Grotius („der Vater des Völkerrechts“) in seiner be- 
rühmten Schrift über die Freiheit der Meere (Mare liberum seu de 
v. Brauchitsch, Die neuen preußischen Verwaltungsgesetze. Bd. 1—6. Berlin. Bd. 1 
(20. Aufk.) 1906. Bd. 2 (17. Aufl.) 1903. Bd. 3 (16. Aufl.) 1903. Bd. 4 (14. Aufl.) 
1903. Bd. 5 (7. Aufl.) 1904. Bd. 6 (3. Aufl.) 1902. 
1) So B. Hübler, Organisation der Verwaltung. Berlin 1898. S. 1.
	        
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