130 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches.
II. Bei dem Passivvermögen des Reichs sind zu unterscheiden Ver-
waltungs= und Finanzschulden. Erstere werden zwecks Führung der
laufenden Verwaltung aufgenommen, während letztere nur im Falle
eines außerordentlichen Bedürfnisses kontrahiert werden.
NV. Art. 73 läßt Finanzschulden nur im Wege der Reichs-
gesetzgebung zu. Verwaltungsschulden dagegen können grundsällich
von jeder Verwaltungsbehörde innerhalb ihres Ressorts und im Rahmen
ihres budgetmäßigen Betriebsfonds gemacht werden.
Das Reich als solches haftet für die Schulden, nur zwecks Auf-
bringung der Mittel für die Reichsschulden findet eine Verteilung
unter diejenigen Einzelstaaten statt, zu deren gemeinschaftlichem Vor-
teile die Schuld kontrahiert wurde.
Zum Zwecke der Befriedigung der Bedürfnisse des Reichs werden
entweder Anleihen aufgenommen, indem verzinsliche Inhaberpapiere
ausgegeben werden,
oder es werden, wenn es sich um Deckung vorübergehender Be-
dürfnisse handelt, Schatzanweisungen ausgegeben.
Daneben besteht noch eine unverzinsliche Reichsschuld in den Reichs-
kassenscheinen. "
Die Aufnahme von Anleihen und die Übernahme von Garantien
(z. B. Garantie des Deutschen Reiches im Verein mit anderen Mächten
zugunsten der ägyptischen Anleihe 1886) zu Lasten des Reichs erfolgt
im Wege der Reichsgesetzgebung (RNV. Art. 73).
Zur Regelung des Reichsschuldenwesens ist die Reichsschulden-
ordnung vom 19. März 1900 (REBl. S. 129) ergangen. Da-
nach erfolgt die außerordentliche Beschaffung der Geldmittel durch ver-
zinsliche Anleihen oder durch Schatzanweisungen, deren Umlaufszeit,
wenn es sich um Verstärkung der ordentlichen Betriebsmittel handelt,
den Zeitraum von 6 Monaten nicht überschreiten darf. Die nähere
Bestimmung hat der Reichskanzler zu treffen. Die Tilgung der An-
leihe geschieht in der Weise, daß die durch den Haushaltsplan dazu
bestimmten Mittel zum Ankauf einer entsprechenden Anzahl von Schuld-
verschreibungen verwendet werden (RSch O. § 5). Dem Reiche bleibt
das Reht vorbehalten, die im Umlaufe befindlichen Schuldverschreibungen
insgesamt oder in angemessenen Teilbeträgen zur Einlösung gegen
Barzahlung des Nennbetrages binnen einer gesetzlich festzusetzenden
Frist zu kündigen. Den Inhabern der Schuldverschreibungen steht ein
Kündigungsrecht gegen das Reich nicht zu (RSchO. § 6). Die Ver-
waltung der Reichsanleihe verbleibt bis auf weiteres der Preuß.
Hauptverwaltung der Staatsschulden unter der Bezeichnung „Reichs-
schuldenverwaltung“ (§9). Die fortlaufende Aufsicht führt eine Reichs-
schuldenkommission, die aus je 6 Mitgliedern des Bundesrats und des
Reichstages und dem Chefpräsidenten des Rechnungshofes zusammen-
gesetzt ist (§ 12). Erweislich vernichtete Schuldurkunden werden ersetzt
(§ 10), abhanden gekommene unterliegen dem Aufgebot und der
Kraftloserklärung durch die Gerichte (§§ 17, 18). Die Schuldurkunden
können wie in Preußen durch Eintragung in das durch Reichsgesetz
vom 31. Mai 1891 (REBl. S. 321) errichtete, von der Reichs-