Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

154 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
II. Die Rechunngskontrolle. 
Art. 72 NV. bestimmt: Über die Verwendung aller Einnahmen des 
Reichs ist durch den Reichskanzler dem Bundesrate und dem Reichstage 
zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen. 
Über die Art der Rechnungslegung, Bedeutung und Wirkung der 
verweigerten Entlastung enthält die Verfassung keine Bestimmungen. 
Man hat bisher jährlich durch besonderes Gesetz die Rechnung dem 
„Rechnungshof des Deutschen Reichs“ zur Vorprüfung vorgelegt. 
Nach Prüfung legt der Rechnungshof mit einer Denkschrift die 
Rechnung dem Bundesrat und Reichstage vor, der seinerseits die 
Rechnung zur erneuten Prüfung dem Ausschusse für Rechnungswesen 
bezw. der Budgetkommission überweist. Nach Rückkunft der Rechnung 
von dort wird dem Reichskanzler Entlastung erteilt. 
Dritter Titel. 
§. 72. Eisenbahnwesen.1) (NV. Art. 41—47.) 
Während anfänglich ) in Preußen und Deutschland die Eisenbahn- 
unternehmen der Privattätigkeit, der gegenüber die Staatsgewalt sich nur 
durch Konzessionierung und Kontrollierung im polizeilichen Interesse be- 
tätigte, überlassen blieben, hat in den siebziger Jahren nach dem Vor- 
gang von Preußen eine Verstaatlichung der Privateisenbahnen 
begonnen, welche schließlich zudem Staatsbahnsystem im Deutschen 
Reich geführt hat. 
Die frühere Vielgestaltigkeit auf diesem Gebiete ist damit beseitigt. 
Die Vorteile des Staatsbahnsystems zeigen sich in der Gleichmäßigkeit 
des Betriebes und der Tarife (Verbilligung desselben), in fortgesetzt 
steigender Ausdehnung und Ausbau des Eisenbahnnetzes, sei es im 
Interesse des Staates, sei es im Interesse von Handel und Gewerbe 
und der Bevölkerung. Vor allem aber treten die Vorteile auf wirt- 
schafts= und finanzpolitischem Gebiete im Falle eines Krieges zutage. 
Im Reiche waren Ende 1901 51040 Kilometer im Betriebe, darunter 
46550 Kilometer unter Staatsverwaltung. 
Die Staatsbahnen stehen im Eigentum und Verwaltung der einzelnen 
deutschen Staaten; dem Reiche steht nur ein Aufsichtsrecht zu (Art. 4 
Nr. 8 RV). Dem Reiche selbst gehören nur die Eisenbahnen von 
Elsaß-Lothringen, die im Frankfurter Frieden 1871 für 325 Millionen 
Franks von Frankreich übernommen worden sind. Dieselben sind dem 
Reichsamte für die Verwaltung der Reichseisenbahnen in Berlin unter- 
stellt; die eigentliche betriebsleitende Behörde ist die „Kaiserliche General- 
direktion der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen“ mit dem Sitze in 
1) Literatur: Laband § 74; Zorn § 31; Arndt § 35; H. Schulze, Buch II 
Abt. 2 Kap. 3 Titel 2 II; G. Meyer §§5 191—194; Sendel, Kommentar zu Ab- 
schnitt VII; Hänel, Staatsr. S. 634; Coarmann, Deutsche Reichseisenbahn- 
Gesetzgebung; Fischer in v. Holzendorffs Jahrbuch 1 S. 412, 2; 2 S. 211; 4 
S. 421; Endemann, Recht der Eisenbahn 1886; Eger, Handbuch des Preuß. Eisenb.= 
Rechts, 1886; Gleim, Recht der Eisenb. in Preußen, 1891; Löning, Verwalt. R. S. 620. 
*) In Deutschland waren die ältesten Eisenbahnlinien Nürnberg-Fürth 1835, 
Leipzig-Dresden 1837, Berlin-Potsdam 1838.
	        
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