§ 72. Eisenbahnwesen. 157
find die Eisenbahnverwaltungen verpflichtet, die zur Beförderung von
Mannschaften und Pferden erforderlichen Ausrüstungsgegenstände ihrer
Eisenbahnwagen vorrätig zu halten, ohne dafür eine Vergütung bean-
spruchen zu können. Sie haben ferner die bewaffnete Macht und
deren Kriegsbedürfnisse zu befördern, sowie ihr Personal und Material
zur Herstellung und zum Betriebe von Eisenbahnen herzugeben. Hierfür
werden Vergütungen nach Maßgabe eines vom Bundesrate zu er-
lassenden allgemeinen Tarifs gewährt. Auf dem Kriegsschauplatz selbst
müssen die Eisenbahnverwaltungen je nach Anordnung der Militär-
behörden den Bahnbetrieb fortführen, einstellen oder wieder aufnehmen.
Alle diese Vorschriften gelten auch für Bayern. Über die Natural-
leistungen für die bewaffnete Macht im Frieden verhält sich § 15
des Gesetzes vom 13. Februar 1875 (RGl. S. 52), wo be-
stimmt wird: „Jede Eisenbahnverwaltung ist verpflichtet, die Be-
förderung der bewaffneten Macht und des Materials des Landheeres
und der Marine gegen Vergütung nach Maßgabe eines vom Bundes-
rate zu erlassenden und von Zeit zu Zeit zu revidierenden allgemeinen
Tarifes zu bewirken.“ In Ausführung dieser Gesetze sind Militär-
transportordnungen für Eisenbahnen im Kriege und im Frieden erlassen
worden. Gegenwärtig gilt die Militärtransportordnung vom
18. Januar 1899 (RGl. S. 10), deren Bestimmungen teils für den
Kriegsfall, teils im Frieden, teils auch für beide Fälle gelten. Sie besteht
aus 6 Abschnitten mit folgendem Inhalt: 1. Gegenstand und mit-
wirkende Behörden. 2. Allgemeine Verkehrs= und Betriebsbestimmungen.
d. Vorbereitung der Militärtransporte. 4. Beförderung von Personen
sowie von Truppen mit Pferden, Geschützen, Fahrzeugen und Belagerungs-
material. 5. Beförderung von Militärgut und Privatgut für die Militär-
verwaltung. 6. Berechnung und Zahlung der Vergütungen.
An die Stelle der früheren Tarife ist der Militärtarif für
Eisenbahnen vom 18. Januar 1899 (RGBl. S. 109) getreten.
Für die dem Reiche zustehenden Aufsichtsrechte im Eisenbahnwesen
ist eine fachmännische Zentral= und Kontrollbehörde geschaffen worden
durch das RG. vom 27. Juni 1873 (RGBl. S. 164), durch welches
das Reichseisenbahnamt mit dem Sitze in Berlin ins Leben
gerufen wurde. Dasselbe hat
a) das dem Reiche zustehende Aussichtsrecht über das Eisenbahn-
wesen wahrzunehmen,
b) für die Ausführung der in der Reichsverfassung enthaltenen
Bestimmungen sowie der sonstigen auf das Eisenbahnwesen bezüglichen
Gesetze und verfassungsmäßigen Vorschriften Sorge zu tragen,
) auf Abstellung der in Hinsicht auf das Eisenbahnwesen hervor-
tretenden Mängel und Mißstände hinzuwirken.
Das Reichseisenbahnamt ist ferner berechtigt, über alle Maßnahmen
und Einrichtungen von den Eisenbahnverwaltungen Berichte zu er-
fordern oder sich durch persönliche Kenntnisnahme zu unterrichten.
Im § 5 des Gesetzes vom 23. Juni 1873 werden Vorschriften
gegeben, wie das Reichseisenbahnamt zum Zwecke der Durchführung
seiner Verfügungen zu verfahren hat. Es ist dort bestimmt: