Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

§ 73. Post= und Telegraphenwesen. 165 
c) Zahlungsgeschäfte. 
a)Das Postanweisungsgeschäft. Die Post besorgt hier die Aus- 
zahlung von Geldern an den Adressaten auf Grund eines Zahlungs- 
auftrages oder einer Zahlungsvollmacht. Die Post haftet für das 
eingezahlte Geld unbedingt (locatio conductio irregularis) und ist 
nur bei Fahrlässigkeit des Absenders, z. B. ungenauer Bezeichnung 
des Empfängers frei. 
9) Das Postvorschuß= oder Nachnahmegeschäft. Rechtlich charak- 
terisiert sich dasselbe als ein mit Einkassierungsmandat kombiniertes 
Frachtgeschäft. Die Post zahlt dem Absender des Gutes die darauf 
nachgenommenen Geldbeträge nach Einkassierung vom Empfänger aus. 
7) Das Postauftragsgeschäft. Die Post besorgt das Inkasso von 
Wechseln, auch das Akzept von Wechseln, auf Verlangen sogleich mit 
Sorgetragung für Protesterhebung. Für die einkassierten Gelder haftet 
die Post unbedingt, es liegt eine locatio conductio irregularis vor. 
d) Die Zustellungsgeschäfte. Hierunter versteht man die Be- 
förderung von Schreiben (Schriftstücken) mit Behändigungsschein und 
von Einschreibsendungen gegen einen Rückschein. Ersteres trifft 
namentlich zu bei Zustellungen von gerichtlichen Schriftstücken. Beiden 
liegt ein modifiziertes Frachtgeschäft zugrunde. 
e) Zeitungs= und Zeitschriftendebit. Hierbei handelt es 
sich um Annahme und Ausführung von Abonnements auf Zeitungen, 
Zeitschriften 2c. seitens der Post. Rechtlich liegt hier eine Kombination 
von Frachtgeschäft einerseits und von Besorgung von Verkäufen, Aus- 
führung derselben und Annahme und Übermittlung von Zahlungen 
dafür im Interesse der Verleger anderseits vor. 
Alle Ansprüche gegen die Postverwaltung verjähren in sechs Monaten. 
Die Verjährung wird unterbrochen durch Erhebung der Klage oder 
durch Reklamation bei der betreffenden Oberpostdirektion. 
Gänzlich portofrei sind Sendungen in persönlichen und Vermögens- 
angelegenheiten der regierenden deutschen Fürsten, deren Gemahlinnen 
und Witwen, in Bundesdienst-, Reichstags-, Militärangelegenheiten, 
Briefe an Soldaten vom Feldwebel abwärts (RG. vom 5. Juni 1869). 
4. Organisation der Reichspostverwaltung. Die Post- 
und Telegraphenverwaltung ist vereinigt. Oberste Reichsbehörde ist 
das unter Verantwortlichkeit des Reichskanzlers von einem Staats- 
sekretär geleitete Reichspostamt. Unter ihm stehen 41 Oberpost- 
direktionen mit Oberpostdirektoren an der Spitze und Post= und 
Telegrapheninspektoren zur Beaussichtigung des Betriebes. Unter den 
Oberpostdirektionen stehen zur Bewältigung des lokalen Verkehres die 
Postämter 1., 2. und 3. Klasse und die Postagenturen. Die Post- 
ämter bilden Behörden, an deren Spitze Postdirektoren, Postmeister 
und Postverwalter stehen. Die Postagenturen werden von Orts- 
eingesessenen verwaltet. In den größeren Städten sind besondere 
Telegraphenämter eingerichtet. 
Die oberen Post= und Telegraphenbeamten werden vom Kaiser, die 
mittleren und niederen von den Landesregierungen ernannt. Sie haben 
die Rechte und Pflichten der Reichsbeamten. Der Betrieb der Ver-
	        
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