Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

168 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
sich nur für gewisse Fälle zur Rückzahlung der Gebühr, nämlich inner- 
halb dreier Monate erhobene Reklamationen für gar nicht oder mit 
erheblicher Verzögerung angelangte oder bei „verglichenem“ (kollatio- 
niertem) Telegramm, welches infolge Verstümmlung erweislich seinen 
Zweck nicht hat erfüllen können (70. 22). In allen anderen Fällen 
der Verstümmlung kann Absender und Empfänger nur ein unentgelt- 
liches Berichtigungstelegramm fordern (70, 23). Auch die Telegraphen- 
beamten persönlich können nicht haftbar gemacht werden (vgl. Cosack HR. 
§ 99, 6, abw. Meili S. 113), sofern sie nicht als Beamte sich eines 
Vergehens nach § 355 StG#B. schuldig gemacht haben. 
8. Für das Fernsprechwesen gelten die Bestimmungen über das 
Telegraphenwesen analog. Vgpl. § 1 Satz 2 des Ges. vom 6. April 
1892 und § 1 Abs. 2 des Ges. vom 18. Dez. 1899. 
Dienen die Fernsprechanstalten dem unmittelbaren mündlichen Ver- 
kehr nach den festgestellten Bedingungen, so ist das Vertragsverhältnis 
zwischen der Fernsprechstelle und dem Benutzer eine locatio conductio 
rei und operarum 1) und es findet eine Haftung der Anstalt nur in 
Gemäßheit der dafür geltenden Rechtssätze statt, und soweit sie nicht 
rechtsgültig ausgeschlossen ist. Die Anlage wird zur Verfügung gestellt 
entweder bestimmten einzelnen Personen (Abonnenten) oder sie steht 
zur öffentlichen Verfügung, sodaß jedermann mit den Abonnenten 
sprechen kann. 
Fünfter Titel. 
Das Gewerberecht. 
§ 74. I. Der Gewerbebetrieb. 
1. Vorbemerkung. Nach Art. 3 NV. besteht für ganz Deutschland 
ein gemeinsames Indigenat mit der Wirkung, daß der Angehörige, 
(Untertan, Staatsbürger) eines jeden Bundesstaats in jedem anderen 
Bundesstaat auch zum Gewerbebetrieb unter denselben Voraussetzungen, 
wie der Einheimische zuzulassen ist. Die weitere Ausgestaltung des 
in Deutschland gültigen Gewerberechts ist in der Reichsgewerbeordnung 
zuhen die eine Kodifikation des gesamten deutschen Gewerberechts 
arstellt. 
2. Zur Geschichte des Gewerbebetriebes. Der Gewerbe= und 
Handelsbetrieb hatte sich im Mittelalter vor allem in den Städten 
ausgebildet. Im Interesse ihres Schutzes und ihrer Rechte hatten 
sich Vereinigungen von Gewerbetreibenden gebildet, welche durch Er- 
teilung von Privilegien gefördert, eine eigene ständische Gesetzgebung 
und Verwaltung erlangten. Sie organisierten sich zu ständischen 
Korporationen unter den Namen von Innungen, Zünften, Gilden und 
Gaffeln. Sie gewannen außer ihrer gewerblichen Bedeutung und 
  
1) Das RG. Bd.17 S. 269 faßt das Rechtsverhältnis als Dienstmiete auf, denn 
Hauptgegenstand des Vertrages sei nicht Uberlassung der Leitung, sondern die stete 
Bereithaltung des elektrischen Stromes und die zu diesem Zweck erforderliche persön- 
liche Tatigteit des Telephonbeamten. Ebenso Cosack, Lehrb. des Handelsr. 5 99 
unter 9 b.
	        
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