Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

§ 81. VIII. Gewerbliche Arbeiter (Gesellen, Gehülfen cc.). 233 
Die Vorschriften über die Sonntagsruhe finden überhaupt nicht An- 
wendung auf Gast= und Schankwirtschaftsgewerbe, Musikaufführungen, 
Schaustellungen, theatralische Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten, 
sowie auf Verkehrsgewerbe (§ 105i Abs. 1). 
Zum Wirtschaftsgewerbe gehören auch Kaffee- und Teeaus- 
schank, Selterwasserbuden und Trinkhallen. Der von Gast= und Schank- 
wirten betriebene „Verkauf über die Straße“ (Verkauf von Brannt- 
wein, von Wein und Bier in Flaschen, Zigarren, Konditorwaren, 
Delikateßwaren, Wurst, kaltem Aufschnitt und dergleichen) ist nur 
während der für das Handelsgewerbe freigegebenen Stunden gestattet; 
KG. E. Bd. 14 S. 380. 
Während die Automaten an sich „offene Verkaufsstellen“ sind, ist 
der Verkauf von Genußmitteln aus Automaten, deren Benutzung nur 
den in den Schanklokalen sich aufhaltenden Gästen möglich ist, an Sonn- 
und Festtagen unbeschränkt gestattet; KG. Bd. 14 S. 384. 
Zum Verkehrsgewerbe gehört der Personen-, Güter-, Nach- 
richten-Transport zu Lande und auf Gewässern, nicht aber die Spedition 
(ogl. KG. E. Bd. 17 S. 429), das Gewerbe der Dienstmänner, 
Fremdenführer, Träger, Packer usw., der Bahnhofsbuchhandel gehört 
auch zum Verkehrsgewerbe. 
Besondere Schutzbestimmungen für gewerbliche Arbeiter: 
a) Um die für fremde Einflüsse besonders empfänglichen jugendlichen 
Arbeiter nicht sittlichen Gefahren auszusetzen, bestimmt das Gesetz in 
8 106, daß Gewerbetreibende, welchen die bürgerlichen Ehrenrechte 
aberkannt sind, so lange ihnen diese Rechte entzogen bleiben, mit der 
Anleitung von Arbeitern unter achtzehn Jahren, d. h. Beaufsichtigung 
und Unterweisung in der Arbeit, sich nicht befassen dürfen. Die Ent- 
lassung der dem vorstehenden Verbote zuwider beschäftigten Arbeiter 
kann polizeilich erzwungen werden. Daneben kann noch eine gericht- 
liche Bestrafung erfolgen aus § 150 (Geldstrafe bis zu 20 Mark, im 
Unvermögensfalle bis zu 3 Tagen Haft). 
b) Um die elterliche Autorität gegenüber den Minderjährigen zu 
stärken, sowohl bei Begründung und Lösung der Arbeitsverhältnisse, 
als bei der Lohnzahlung (Begr. 43), hat das Gesetz Arbeitsbücher 
Gs # 107—112,( 114) für Minderjzährige eingeführt. 
Das Arbeitsbuch, welches von der Ortspolizeibehörde kosten= und 
stempelfrei auszustellen ist, muß der Minderjährige vor Antritt der 
Arbeit dem Arbeitgeber vorlegen und aushändigen. Der Arbeitgeber 
hat es zu verwahren und bei rechtmäßiger Lösung des Arbeitsverhält- 
nisses auszuhändigen. Die Aushändigung erfolgt an den gesetzlichen 
Vertreter (Vater 88§ 1627, 1630 BG#B., falls dieser verhindert, ver- 
storben, nicht mehr im Besitz der elterlichen Gewalt oder die Ehe auf- 
gelöst ist (S 1684 BGB.) die Mutter, beim Tode der Eltern oder 
bei Nichtberechtigung derselben zur Vertretung (§ 1773 BGB.) den 
Vormund) sofern dieser es verlangt, oder der Arbeiter das 16. Lebens- 
jahr noch nicht vollendet hat, andernfalls an den Arbeiter selbst. 
Das Arbeitsbuch, welches unter dem Siegel und der Unterschrift der 
Behörde ausgestellt wird, enthält das vollständige Personale des Ar- 
  
  
  
 
	        
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