236 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches.
Nach § 2 des vorerwähnten Gesetzes ist eine rechtsgeschäftliche Ver-
fügung (Zession, Anweisung, Verpfändung usw.) über die Vergütung
von Arbeiten, geleistet auf Grund eines Arbeitsverhältnisses, welches
die Erwerbstätigkeit des Arbeiters vollständig oder hauptsächlich in
Anspruch nimmt, seitens des Arbeiters erst dann zulässig, wenn
die Arbeiten geleistet sind, und der Zahlungstag abgelaufen ist,
ohne daß der Arbeiter die Vergütung eingefordert hat. Zur Anwend-
barkeit des zit. § 2 gehört, daß der Gesamtjahresbetrag der Vergütung
nicht 1500 M. übersteigt; § 4 des Ges. in der Fassung des Gesetzes
vom 17. Mai 1898 REGBl. S. 332 Art. III. Zulässig ist dagegen
die Zahlung an den von dem Arbeiter Bevollmächtigten, an den ge-
setzlichen Vertreter des Arbeiters, auf Grund von Verfügungen des
Arbeiters, welche er, nachdem ihm der Lohn ausgezahlt und übergeben
worden ist, trifft. In dem letztgedachten Fall kann die Berichtigung
der Schulden des Arbeiters auch mittelbar durch den Arbeitgeber oder
dessen Beauftragten erfolgen. RG. Entsch. in Strafs. Bd. 26 S. 208.
Auch kann der Arbeiter sofort nach Empfang des Lohns vom Arbeit-
geber Waren entnehmen. RG. Entsch. in Straff. Bd. 13 S. 182.
Folgen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Bar-
zahlung des Lohnes gemäß § 115 G).
1. Strafrechtliche Folgen:
Nach § 146 Ziff. 1 werden Gewerbetreibende, welche dem § 115
zuwiderhandeln, mit Geldstrafe bis zu 200 M. und im Unvermögens-
falle mit Gefängnis bis zu 6 Monaten bestraft.
2. Zivilrechtliche Folgen:
à) Sind Forderungen der Arbeiter in einer dem § 115 zuwider-
laufenden Weise berichtigt worden, so können diese zu jeder Zeit
Zahlung nach Maßgabe des § 115 verlangen, ohne daß ihnen eine
Einrede aus dem an Zahlungs Statt Gegebenen entgegengesetzt werden
kann. Letzteres fällt, soweit es noch bei dem Empfänger vorhanden
oder dieser daraus bereichert ist, derjenigen Hülfskasse zu, welcher der
Arbeiter angehört, in Ermangelung einer solchen einer anderen zum
Besten der Arbeiter an dem Orte bestehenden, von der Gemeindebehörde
zu bestimmenden Kasse und in deren Ermangelung der Ortsarmen-
kasse (6 116). « «
a)DerLohnzahluiIgsanfpruchderArbeitergemäߧ116darf
zur Zeit der Geltendmachung nicht verjährt sein. Die Verjährungsfrist
regelt sich nach bürgerlichem Recht und beträgt nach § 196 Ziff. 9
BGB. zwei Jahre.
3) Was den Kassenanspruch anlangt, so stellt sich dieser als ein
persönlicher Bereicherungsanspruch dar, welcher eigenartig gestaltet ist.
Aktiv legitimiert ist in erster Linie diejenige Kasse bezw. eingeschriebene
Hülfskasse, welcher der Arbeiter angehört. Gehörte der Arbeiter zu
einer Sterbekasse, so wird auch diese als legitimiert gelten müssen.
Passiv legitimiert ist der Empfänger des an Zahlungs Statt Hingegebenen.
Der Anspruch selbst ist vor den ordentlichen Gerichten zu verfolgen.
b) Verträge, welche dem § 115 zuwiderlaufen, sind nichtig (§ 117
Abs. 1). Dasselbe gilt von Verabredungen zwischen den Gewerbe-