Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

248 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
6. Pflichten des Lehrherrn. Dieselben lassen sich zusammen- 
fassen in eine Unterweisungs= und Ausbildungspflicht einer- 
seits und in eine Aufsichts= und Erziehungspflicht andrerseits. 
Die erstere erstreckt sich auf die persönliche oder durch einen ge- 
eigneten, ausdrücklich dazu bestimmten Vertreter vorzunehmende Unter- 
weisung und Ausbildung in allen Berufsarbeiten. Hierzu gehört auch 
die überwachung des Besuchs der bestehenden Fortbildungs-Fachschulen 
u. dgl. m. 
Die Erziehungspflicht umfaßt die Sorge für die sittliche, geistige 
und gesundheitliche Fortentwicklung des Lehrlings, zu deren wirksamer 
Erfüllung dem Lehrherrn ein mäßiges, väterliches Züchtigungsrecht 
gegenüber dem Lehrling eingeräumt ist. Bezüglich der Aufsichtspflicht 
ist hervorzuheben, daß dieselbe sich nicht auf das Verhalten des Lehr- 
lings im Betriebe des Gewerbes beschränkt, sondern über das eigent- 
liche Arbeitsverhältnis hinausgreift und auch die Verpflichtung des 
Lehrherrn begründet, sich auch um das Verhalten des Lehrlings außer- 
halb des Betriebes zu kümmern. Vgl. v. Landmann-Rohrer, G. 
3. Aufl. Bd. 2 S. 229 Bem. 6 und RG. Entsch. in Zivils. Bd. 52 
S. 74. 
Im einzelnen hebt das Gesetz hier noch hervor, daß der Lehrherr 
den Lehrling zur Arbeitsamkeit und zu guten Sitten anhalten, vor 
Ausschweifungen bewahren, gegen Mißhandlungen seitens der Arbeits- 
und Hausgenossen zu schützen und dafür Sorge zu tragen hat, daß 
dem Lehrlinge nicht Arbeitsverrichtungen zugewiesen werden, welche 
seinen körperlichen Kräften nicht angemessen sind. Er darf dem Lehr- 
linge die zu seiner Ausbildung und zum Besuche des Gottesdienstes 
an Sonn= und Festtagen erforderliche Zeit und Gelegenheit nicht 
entziehen. 
Die Heranziehung zu häuslichen Dienstleistungen ist auch bei Ge- 
währung von Kost und Wohnung nur zulässig, soweit sie nicht die 
Ausbildung gefährdet (Begr. zur Nov. 1897 S. 84), im übrigen 
überhaupt unzulässig (§ 127 Abs. 2 Satz 2). 
7. Pflichtversäumnis des Lehrherrn. Kommt der Lehrherr 
den ihm nach dem Gesetz bezw. Lehrvertrage auferlegten Verpflichtungen 
nicht nach, so sind folgende Zwangsmittel gegen ihn gegeben. 
a) strafrechtlicher Art. 
Geldstrafe bis zu 150 M. im Unvermögensfalle Haft bis zu 
4 Wochen gemäß § 148 Ziff. 9, wenn er die gesetzlichen Pflichten 
gegen die ihm anvertrauten Lehrlinge verletzt. 
)disziplinarer Art: 
a) Geldstrafen seitens des Innungsvorstandes gemäß § 92c. 
89) Entziehung der Befugnis zum Halten und zur Anleitung von 
Lehrlingen gemäß § 126 a. 
c) zivilrechtlicher Art. 
a) Klage auf Vertragsauflösung gemäß § 127b Ziff. 2. 
89) Erfüllungsklage. 
J7) Ersatzansprüche z. B. für Verletzungen, die sich der Lehrling 
durch Unkunde bei der Arbeit infolge mangelnder Unterweisung zu- 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.