§ 84. Offentliche Arbeiterversicherung. 275
königlichen Gewerbegerichte in der Rheinprovinz durch Gesetz vom
11. Juli 1891 (GS. S. 311) herbeigeführt worden.
Eine wichtige Ergänzung hat das Gewerbegerichtsgesetz noch durch
das Gesetz betreffend Kaufmannsgerichte vom 6. Juli 1904 (REl.
S. 266) gefunden.
Diese Kaufmannsgerichte dienen denselben Zwecken wie die Gewerbe-
gerichte und unterscheiden sich von diesen nur insoweit, als bei ihnen
Streitigkeiten aus dem Dienst= und Lehrverhältnisse zwischen Kaufleuten
einerseits und ihren Handlungsgehülfen oder Handlungslehrlingen andrer-
seits in Frage kommen.
Von weiteren Unterschieden gegenüber dem Gewerbegerichtsgesetze
sind hervorzuheben:
1. Unanwendbarkeit des Gesetzes auf Handlungsgehülfen mit mehr
als 5000 M. Jahresarbeitsverdienst, sowie auf die in Apotheken be-
schäftigten Gehülfen und Lehrlinge (§ 4).
2. Die Kaufmannsgerichte sind ohne Rücksicht auf den Streitwert
auch noch zuständig für Ansprüche auf Grund einer Konkurrenzklausel
(abweichend Gewerbegerichtsgesetz § 4 Abs. 2).
3. Schiedsverträge, durch welche der Entscheidung des Kaufmanns-
gerichts künftige Streitigkeiten, welche an sich zu seiner Zuständigkeit
gehören, entzogen werden, sind nichtig (§ 6), während sie nach Gewerbe-
gerichtsgesetz § 6 Abs. 2 unter bestimmten Voraussetzungen rechts-
wirksam sind.
Sechster Titel.
8 84. Offeutliche Arbeiterversicherung.#)
Überblick. Allgemeines.
Die öffentliche Arbeiterversicherung gehört mit zum Programm der
deutschen Sozialreform, deren leitende Gesichtspunkte in den Kaiserlichen
Botschaften vom 17. November 1881 und 14. April 1883 und in
den Allerhöchsten Erlassen vom 4. Februar 1890 niedergelegt sind.
In diesen programmatischen Kundgebungen werden umsfassende
Maßnahmen zum Schutze aller arbeitenden Klassen gegen die ihre
wirtschaftliche Existenz bedrohenden Wechselfälle des Lebens, welche
durch Krankheit, Betriebsunfälle, Gefahren des Betriebes, Alter und
Invalidität veranlaßt werden, angekündigt. Dieses Ziel suchte man
auf drei verschiedenen, voneinander im wesentlichen unabhängigen
Wegen zu erreichen, einmal in der Reform (Stärkung und Wieder-
belebung) des Innungswesens, umfassenden Neugestaltung der Arbeiter-
versicherung und Ausbau der Arbeiterschutzgesetzgebung.
Bezüglich der Arbeiterversicherung wurden auf breitester öffentlich
rechtlicher Grundlage die Versicherung der Arbeiter gegen Krankheiten
und Betriebsunfälle und ferner eine staatliche Fürsorge für die durch
das Alter und die Invalidität erwerbsunfähig gewordenen Personen
der arbeitenden Stände ins Leben gerufen.
1) Literatur: Rosin, Recht der Arbeiterversicherung. (1893). Weyl, Lehrbuch des
Reichsversicherungsrechts (1894). Bödiker, Reichsversicherungsgesetzgebung. (1898).
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