Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

§ 85. Krankenversicherung. 289 
behörde oder, wenn sich der Bezirk der Gemeindekrankenversicherung 
oder Krankenkasse über mehrere Gemeindebezirke erstreckt, die etwa von 
der Zentralbehörde beauftragte andere Behörde. 
Die Entscheidung kann 4 Wochen nach ihrer Zustellung mittelst 
Klage im ordentlichen Rechtswege, soweit aber landesgesetzlich solche 
Streitigkeiten dem Verwaltungsstreitverfahren überwiesen sind, 
im Wege des letzteren angefochten werden (88 58 Abs. 1, 65, 72, 
73 KVG.). 
Für die Anrufung der Aussichtsbehörde ist eine Frist nicht vor- 
geschrieben (OVG. E. Bd. 30 S. 368 v. Kamptz, Bd. 4 S. 355). 
Die Entscheidung muß Grund und Höhe des Anspruchs betreffen. Der 
Erlaß einer Vorentscheidung über den Grund des Anspruchs ist unzu- 
lässig. Die Aufsichtsbehörde kann ihren rechtskräftig gewordenen 
Bescheid nicht ändern. RG. Entsch. in Zivils. Bd. 36 S. 168. In 
Preußen ist der Entscheidung der Aufsichtsbehörden eine Belehrung 
über das gegen sie zulässige Rechtsmittel hinzuzufügen (pr. Anw. vom 
10. Juli 1892 Nr. 60). In Preußen sind für obige Streitigkeiten 
nur die ordentlichen Gerichte (bei Streitgegenständen bis zu 300 M. 
die Amtsgerichte, bei höheren Objekten die Landgerichte smit Anwalts- 
zwang]) 3PO. 8 78 zuständig (§ 23 Ziff. 1, § 70 GVG.), das 
Verwaltungsstreitverfahren ist unzulässig (OVG. E. Bd. 27 S. 379 
v. Kamptz Bd. 4 S. 354). Anders in Sachsen und Württemberg, 
wo hierfür das Verwaltungsstreitverfahren Platz greift. 
689) Streitigkeiten zwischen den Arbeitgebern und Versicherten über 
die Berechnung und Anrechnung der Beiträge und des Eintrittsgeldes 
werden, soweit gewerbliche Arbeiter und Betriebsbeamte in Frage 
kommen, nach den Vorschriften des Gewerbegerichtsgesetzes entschieden 
(§§ 53 a, 65, 72, 73 KVG.); sind Innungsmitglieder die Streitteile, 
so sind ausschließlich die Innungen und Innungsschiedsgerichte zuständig. 
Sofern Gewerbegerichte nicht errichtet sind, oder sofern es sich um 
land= oder forstwirtschaftliche Arbeiter, Handlungsgehülfen oder Lehrlinge, 
versicherungspflichtige Staats= oder Kommunalbeamte, Arbeiter der 
Heeres= oder Marineverwaltung handelt, kann nach Wahl das Ver- 
fahren vor dem Gemeindevorsteher, vorbehaltlich des ordentlichen 
Rechtsweges, oder sofort der Rechtsweg eingeschlagen werden. 
7) Streitigkeiten zwischen Gemeindekrankenversicherungen und Orts- 
krankenkassen oder zwischen Ortskrankenkassen über die Frage, welcher 
von ihnen die in einem Gewerbszweige oder in einer Betriebsart oder 
in einem einzelnen Betriebe beschäftigten Personen angehören, werden von 
der höheren Verwaltungsbehörde (in Preußen dem Regierungspräsidenten) 
entschieden; gegen die Entscheidung steht binnen 2 Wochen nur die 
Beschwerde an die Zentralbehörde zu (§ 57b Abs. 1 und 2 KVG.). 
) Streitigkeiten zwischen den Kassen und den Gemeinden bezw. 
Ortsarmenverbänden, auf die kraft Gesetzes (§ 57 KVG.) der Unter- 
stützungsanspruch eines von ihnen Verpflegten übergeht, insbesondere 
auch über den Ersatz irrtümlich geleisteter Unterstützungen, werden im 
Verwaltungsstreitverfahren, wo ein solches nicht besteht, von der Aufsichts- 
behörde entschieden (§ 58 Abs. 2 KVG.). 
Altmann, Handbuch der Verfaffsung I. 19
	        
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