Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

§ 102. Einheitlichkeit der Heeresverfassung rc. 325 
8§ 102. Einheitlichkeit der Heeresverfassung. 
Milltärhoheit und Kontingentshoheit bezüglie 14 
Laubheeres. 
Bei dem Landheer sind Reichsmilitärhoheit und Kontingentshoheit 
voneinander zu trennen. 
Die Einheitlichkeit des Heeres zeigt sich in der allgemeinen Wehr- 
pflicht (Art. 57 NV.), in der gleichmäßigen Tragung der Kosten und 
Kasten des Kriegswesens (Art. 58 NV.), in der Gestaltung des Militär- 
dienstes (Art. 59 RV.), in der Friedenspräsenzstärke des Heeres (Art. 60 
NRV.), in der gleichmäßigen Militärgesetzgebung für das ganze Heer 
(Art. 61, 63 Abs. 5 RV.), bezüglich der Beschaffung, Feststellung und 
Verausgabung der Aufwandsmittel für das Heer, vor allem aber in 
der Bestimmung des Art. 63 NV., nach welcher die gesamte Land- 
macht ein einheitliches Heer bilden soll, welches im Krieg und 
Frieden unter dem Befehl des Kaisers steht. Aus diesem Grunde 
steht auch dem Kaiser die Sorge für die Vollzähligkeit und Kriegs- 
tüchtigkeit, für gleichmäßige Organisation, Formation, Bewaffnung, 
Ausbildung der Mannschaften und Qualifikation der Offiziere bei allen 
Truppenteilen des deutschen Heeres, ein jederzeitiges Inspektionsrecht 
der Truppen der Kontingente, der Erlaß von allgemein gültigen An- 
ordnungen behufs Abstellung von Mängeln zu. 
Ist hiernach in militärischer Hinsicht die deutsche Heeresorgani- 
sation eine einheitliche, so setzt sich jedoch in staatsrechtlicher Beziehung 
das deutsche Heer aus Kontingenten der Bundesstaaten zusammen. 
unter selbständiger Verwaltung der Kontingentsstaaten. Infolgedessen 
besteht die Militärhoheit der Einzelstaaten fort. s· 
Die Kennzeichen dafür sind: 
Der Fahneneid ist den Kontingentsherren seitens der Mannschaften 
und der ihrer Ernennung unterstehenden Offiziere zu leisten, allerdings 
zugleich unter Gelöbnis des Gehorsams für den Kaiser. Die Kon- 
tingentsherren sind ferner Chefs aller Truppenteile ihres Gebietes mit 
In te der Inspizierung und der Verwendung zu polizeilichen 
wecken - 
Immerhin ist auch die Kontingentshoheit nach der Reichsverfassung 
schon insoweit beschränkt, als nach Art. 64 RV. der Höchstkomman- 
dierende eines Kontingents sowie alle Offiziere, welche Truppen mehr- 
als eines Kontingents befehligen und alle Festungskommandanten vom 
Kaiser ernannt werden. Die von demselben ernannten Offiziere leisten 
ihm den Fahneneid. Bei Generalen und den Generalstellungen ver- 
  
1) Laband §§ 95, 99; Seydel, Kommentar zu Art. 68; Archio für öffentliches 
Recht IV S. 150; Hecker in v. Stengels Wörterbuch, Bd. i, Gümbel, Bund. Feld- 
herrnamt und Militärhoheit S. 164, Müller, Teilung der Mil. Hoheit S. 80.- 
Reinecke, Verfass. zu Art. 63 S. 291 1. Für die Einhettlichkeit des Heeres sprechen 
sich aus: G. Meyer, Verw. R. II S. 38; Schulze 11 S. 253; Zorn 88 37, 38; 
Arndt, Note zu Art. 68, Thudichum, Erundlagen der deutschen Heeresverfassung 
“ Brockhaus, Heer und Kontingente S. 214; Bornhak, deutsches Staatsrecht I.
	        
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