Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

336 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
untersteht der freien richterlichen Überzeugung. Die Rechtskraft und 
Vollstreckbarkeit wird durch eine Bestätigungsordre ausgesprochen. 
Ordentliche und außerordentliche Rechtsmittel sind in analoger 
Weise wie im bürgerlichen Strafprozeß zugelassen. 
Neben der militärgerichtlichen ist bei Dienstvergehen die Disziplinar= 
bestrafung der Militärpersonen zugelassen, für die zum Teil die Diszipl. 
Fätel am. für das Heer vom 31. Oktober 1872 Anwendung 
ndet. 
4. In staatsrechtlicher Beziehung ruht für die zum aktiven 
Heere gehörigen Militärpersonen, mit Ausnahme der Militärbeamten, 
die Berechtigung zum Wählen für den Reichstag und die Landtage. 
Die Teilnahme an politischen Vereinen ist allen Militärpersonen, 
auch Militärbeamten untersagt (RM. 8 49). 
Aktive Militärpersonen sollen zu dem Amte eines Schöffen und Ge- 
schworenen nicht berufen werden (GVG. 8§§ 34, 85) und bedürfen zur 
Annahme kirchlicher und kommunaler Amter der Genehmigung ihrer 
Dienstvorgesetzten (RMG. 8 47). 
5. Von der Staatssteuer befreit ist das Diensteinkommen 
der Unteroffiziere und Soldaten schlechthin, das der übrigen Militär- 
personen im Mobilmachungsfalle. Früher waren auch alle Einnahmen 
der aktiven Militärpersonen von der Kommunalsteuer frei, soweit diese 
Einnahmen nicht aus Grundbesitz oder Gewerbebetrieb herrührten. 
Diese Steuerfreiheit ist jedoch dahin beschränkt worden, daß das außer- 
dienstliche Einkommen der im Offizierrange stehenden Militärpersonen 
und der Pensionen der zur Disposition gestellten Offiziere in Preußen 
einer besonderen Gemeindeabgabe unterworfen ist, die dem festen Satze 
der zu entrichtenden staatlichen Einkommensteuer entspricht (Gesetz vom 
28. März 1886 Rl. S. 65 und Gesetz vom 29. Juni 1886 GS. 
S. 181, erg. Gesetz vom 22. April 1892 GS. S. 101). Einige Be- 
schränkungen in Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte bestehen für 
Militärpersonen insoweit als sie zur Verheiratung, zur Übernahme von 
Vormundschaften, Kommunalämtern, zum Betriebe eines Gewerbes, 
insofern letzteres nicht mit der Bewirtschaftung eines ihnen gehörigen 
ländlichen Grundstückes verbunden ist, der Genehmigung ihrer Vorge- 
setzten bedürfen (NMMG. 88 40—43). 
6. Besonders begünstigt sind die Militärpersonen bezüglich der 
Pensionierung und der Fürsorge für die Hinterbliebenen.) 
1) Die gesetzlichen Grundlagen des Militärpensionswesens sind: Gesetz, betreffend 
die Pensionierung und Versorgung der Militärpersonen usw. vom 27. Juni 1871 
(ReBl. S. 275), Novelle vom 4. April 1874 (das. S. 25), 21. April 1886 (das. 
S. 78), 24. März 1887 (das. S. 149) und 22. Mai 1893 (das. S. 171) und 
14. Januar 1894 (das. S. 107). Fürsorgegesetz vom 15. März 1886 für Beamte und 
Personen des Soldatenstandes bei Betriebsunfällen. RGBl. S. 78; Gesetz, betreffend die 
Fürsorge für die Witwen= und Waisen von Angehörigen des Reichsheeres pp. vom 
17. Juni 1887 (Rl. S. 237) mit Novelle vom 5. März 1888 (REBl. S. 65) 
(Erlassung der Witwen= und Waisenbeiträge); Gesetz, betreffend die Fürsorge der 
Witwen und Waisen der Personen des Soldatenstandes usw. vom 13. Juni 1895 
(RGBl. S. 261) und 17. Mai 1897 Art. II (RGBl. S. 456).
	        
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