§ 20. Pflichten der Reichsbeamten rc. 33
meinen die Ausdehnung auf die materielle Richtigkeit und Rechtmäßig-
keit, indem sonst die ganze Behördenorganisation mit ihrer Unter-
ordnung der niederen Behörden unter die höheren ins Wanken käme
und eine geordnete Staatsverwaltung unmöglich gemacht würde. Die
formelle Rechtmäßigkeit umfaßt nach Laband und Meyer (Deutsches
Staatsrecht 5. Aufl. S. 466) die Frage nach der Zuständigkeit der
vorgesetzten Behörde zum Erlaß der Anordnung, nach der gesetzlich
vorgeschriebenen Form derselben und nach der Kompetenz des beauf-
tragten Beamten. In ersterer Hinsicht ist davon auszugehen, daß
keine Behörde oder kein Beamter die eigene Amtssphäre überschreiten
darf, daß also außerhalb ihrer amtlichen Zuständigkeit erlassene An-
ordnungen nicht als dienstliche angesehen werden können, somit auch
von den Untergebenen nicht befolgt zu werden brauchen. Hiermit
stimmt auch die Rechtsprechung des früheren preußischen Obertribunals
und des Reichsgerichts überein, wonach der untergeordnete Beamte zu
prüfen hat, ob der Befehl, um dessen Vollstreckung es sich handelt,
von der örtlich und sachlich zuständigen Behörde erlassen ist, nicht aber
untersuchen soll, ob die vorgesetzte Dienstbehörde von ihren Amtsbe-
sugnissen im einzelnen Falle einen angemessenen Gebrauch macht. Was
sodann die vorschriftsmäßige Form der Anordnung betrifft, so müssen
selbstredend schriftliche Erlasse die Unterschrift des zuständigen Beamten
tragen und solche des Staatsoberhauptes, falls sie Regierungsakte sind,
die Gegenzeichnung des betreffenden Ministers haben. Anlangend die
eigne Kompetenz des beauftragten Beamten, so muß er diese selbständig
prüfen, also feststellen, ob das Geschäft in seinen dienstlichen Wirkungs-
kreis fällt. In dieser Hinsicht sind die ergangenen amtlichen In-
struktionen maßgebend, die nötigenfalls von der vorgesetzten Behörde
ergänzt und geändert werden können. (Laband, a. a. O. S. 435.)
Neben dieser formellen Seite wird man aber doch eine gewisse Prüfungs=
pflicht des Beamten auch nach der materiellen Seite hin annehmen
müssen, nämlich dann, wenn die Anordnung einem Verbotsgesetz oder
überhaupt dem klaren Wortlaut eines Gesetzes widerspricht (Meyer,
a. a. O. S. 466). Auch die preußische Regierungsinstruktion vom
23. Oktober 1817 sagt im § 8: „Niemals können die Regierungen etwas
verfügen, was einem ausdrücklichen Gesetz zuwiderläuft.“ Immer aber
muß es sich um ganz klare, unzweifelhafte Gesetzeswidrigkeiten handeln,
in allen zweifelhaften Fällen, wo es sich um bloße Auslegung eines
Gesetzes handelt, hat der Beamte die Verfügung der vorgesetzten Be-
hörde für sich als maßgebend zu erachten, ohne befugt zu sein, deren
materielle Richtigkeit zu prüfen. Eine Sondervorschrift gibt § 97 der
Militärstrafgerichtsordnung für Militärjustizbeamte. Hält ein Militär-
justizbeamter eine Weisung, Verfügung oder Entscheidung des Gerichts-
herrn mit den Gesetzen oder sonst maßgebenden Vorschriften nicht für ver-
einbar, so hat er dagegen Vorstellung zu erheben. Bleibt diese er-
folglos, so hat er der Weisung des Gerichtsherrn, der alsdann allein die
Verantwortung trägt, zu entsprechen, den Hergang jedoch aktenkundig
zu machen. Die Akten sind dann dem Oberkriegsgericht zur rechtlichen
Beurteilung der Sache vorzulegen, dessen Entscheid für die weitere
Altmann, Handbuch der Berfassung I. 3