36 1. Buch. 3. Abschnitt. Die Organe d. Reichs= u. Staatsverwaltung.
dem anderen Teile Ersatz nicht verlangen könne. Der Beschädigte
würde also keinen der Beamten in Anspruch nehmen können, wenn
nicht zufällig der eine oder andere bezw. die übrigen abgesehen von
dem zuletzt in Anspruch genommenen zum Ersatze des Schadens im-
stande sein sollte. In diesem Falle haften die mehreren Beamten
nebeneinander und zwar nach § 840 Abs. 1 BGB. als Gesamt-
schuldner (RG. Bd. 51 S. 259).
Die näheren Umstände der Inanspruchnahme eines Beamten sind nach
§ 839 Absatz 1 Satz 1 BGB. zu beurteilen, wonach das Verschulden auf
die Verletzung einer dem Beamten obliegenden Amtspflicht zurückzuführen
ist. Er muß hierbei in seiner Eigenschaft als Beamter, nicht als Privat-
mann tätig geworden sein. Die Amtepflicht bestimmt sich nach den Vor-
schriften des öffentlichen Rechts. Zum Begriffe der Amtshandlung
gehört nicht die Verpflichtung, die Handlung vorzunehmen, es
genügt vielmehr die Befugnis. ) In einem vom Reichsgericht ent-
schiedenen Fall (RG. in Gruchot's Beitr. Bd. 46 S. 935 ff.) hatten
die Beamten eines Hauptzollamts fahrlässig eine falsche Auskunft er-
teilt, zu deren Erteilung sie nicht verpflichtet, aber befugt waren. Da
die Beamten auf Grund dieser Befugnis die Auskunft erteilt hatten,
so wird diese Tätigkeit von ihrer Amtspflicht mit ergriffen. Für das
hierbei begangene Versehen haften sie nach S 839 BGB.)
Ein weiteres Erfordernis der Haftung ist, daß dem Beamten die
Amtspflicht einem dritten gegenüber obliegen muß.
Die Amtspflicht kann ihrem Inhalt nach derartig sein, daß der
Beamte nur seiner vorgesetzten Behörde gegenüber verpflichtet ist, so
namentlich bei den internen Dienstanweisungen. Ob dem Beamten
auch eine Amtspflicht gegenüber Privaten auferlegt ist, ist nur aus
dem Zwecke und dem Inhalt der einzelnen Vorschrift zu entnehmen.
Es muß endlich die Verletzung der dem Beamten dem dritten
gegenüber obliegenden Amtspflicht auf einem Verschulden beruhen.
Vorsatz oder Fahrlässigkeit müssen sich auf die Verletzung der Amts-
pflicht beziehen. Auf den Grad der Fahrlässigkeit kommt es nicht an
(Urteil des RG. vom 14. April 1902, Entsch. in Zivils. Bd. 51
S. 191). Wann Fahrlässigkeit anzunehmen ist, bestimmt sich nach
§ 276 BEB., maßgebend ist daher die Sorgfalt eines pflichttreuen
Durchschnittsbeamten. Als Hauptfälle der Fahrlässigkeit kommen in
Betracht: Nichtbeachtung klarer Gesetze und allgemeiner Verwaltungs-
vorschriften, des Akteninhalts, auch rechtlicher Irrtum kann ersatz-
pflichtig machen. (Über Einzelheiten hierzu vgl. Delius in D# 3.
9. Jahrg. 1904 S. 529 und die in Anm. 2 das. angegebene Recht-
sprechung). Nicht erforderlich ist, daß der Beamte die Entstehung
eines Schadens vorausgesehen hat.
Zu betonen ist, daß der Schadenersatzanspruch nur dem unmittel-
bar Geschädigten zusteht. Auf die Art des Rechtsguts, welches ver-
letzt ist, kommt es ebenso, wie im § 823 BGB., nicht an.
1) Vgl. Goldmann-Lilienthal, BG . Bd. 1 § 236 S. 908.
:2) Vgl. Urteil des NG. v. 20. Febr 1902 Jur. Wochenschr. Beilage S. 214.