52 2. Buch. 1. Abschnitt. Geschichte des Deutschen Staatsrechts.
größerung Preußens unter keinen Umständen zuzugeben, kehrt in dieser
Frage auf den Bundesstandpunkt zurück und verständigt sich mit den
deutschen Mittelstaaten. Preußen, welches eine kriegerische Entscheidung
der deutschen Frage als unvermeidlich ansieht, tritt mit Italien in
Unterhandlung.
Der Ausbruch des Krieges wird veranlaßt durch den Streit um die
Zukunft der Herzogtümer Schleswig und Holstein. Osterreich will,
daß der Erbprinz von Augustenburg als Herzog von Schleswig-Holstein
anerkannt werde und als souveräner Fürst in den Deutschen Bund
trete. Preußen verlangt (Note vom 22. Februar 1865) für den Fall,
daß zu den schon in Deutschland vorhandenen noch ein neuer Klein-
staat Schleswig-Holstein geschaffen werden soll: 1. daß dessen gesamte
Streitkräfte ein Bestandteil der preußischen Armee und Flotte werden,
sein Post= und Telegraphenwesen mit dem preußischen verschmolzen
wird, 2. daß an Preußen, damit es dem neuen Staat den nötigen
Schutz gegen Dänemark leisten könne, mehrere militärisch wichtige
Punkte (Friedrichsort, Sonderburg u. a.) abgetreten werden.
Osterreich lehnte die preußischen Forderungen ab. Am 9. April 1866
stellt Preußen am Bundestage zu Frankfurt den Antrag auf Reform
der Verfassung des Deutschen Bundes unter Mitwirkung eines aus
allgemeinem Wahlrecht hervorgehenden Parlaments.
Der offene Bruch wird dadurch herbeigeführt, daß Osterreich am
1. Juni 1866 die Entscheidung der schleswig -holsteinischen Erbfolge-
frage dem deutschen Bunde anheimstellt und durch den Gouverneur
v. Gablenz die holsteinsche Ständeversammlung auf den 11. Junie
zusammenberufen läßt. Preußen erklärt den Vertrag von Gastein für
gebrochen und läßt den General v. Manteuffel am 7. Juni in Holstein
einrücken. So begann der österreichische Krieg, welcher nach voraus-
gegangenem Waffenstillstand zu Nikolsburg (26. Juli 1866)
am 23. August 1866 durch den Definitiofrieden zu Prag
sein Ende fand.
Die Bedingungen dieses Friedensschlusses zwischen Preußen und
Osterreich waren folgende:
1. Der Kaiser von Osterreich erkennt die Auflösung des Deutschen
Bundes an und stimmt einer Neugestaltung Deutschlands ohne Osterreichs
Beteiligung zu, erkennt einen von Preußen nördlich der Mainlinie zu
gründenden Bund an, hat auch nichts dagegen, daß die Südstaaten
einen besonderen Bund bilden; bedingt aber dem Königreich Sachsen
seinen unveränderten Bestand (als Glied des neuen Norddeutschen
Bundes) aus. v
2. Osterreich überträgt alle Rechte an Schleswig-Holstein auf Preußen;
nur sollen die nördlichen Distrikte Schleswigs an Dänemarck abgetreten
werden, wenn die Bevölkerung durch freie Abstimmung sich hierfür
erklärt. (Osterreich hat am 11. Oktober 1878 auf diesen Vor-
behalt verzichtet.)
3. Osterreich zahlt 20 Millionen Taler Kriegskosten.
4. Preußen bedingt die Übergabe Venetiens an Italien aus.