Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

§ 32. Elsaß-Lothringen. 59 
Gesetzgebungsrecht bezüglich aller außerhalb der Reichskompetenz 
stehenden Angelegenheiten. 
8§ 32. Elsaß-Lothringen.) 
I. Staatsrechtliche Natur des Reichslandes. 
In den Friedenspräliminarien zwischen dem Deutschen Reich und 
Frankreich zu Versailles vom 26. Februar 1871 (RGBl. 1871 
S. 215 ff.) wird im Art. 1 (ergänzt durch den Frankfurter Definitiv- 
vertrag vom 10. Mai 1871) bezüglich Elsaß-Lothringens bestimmt: 
La France renonce en faveur de PEmpire allemand à tous 
ses droits et titres sur les territoires situés à Test de la 
frontiere ci-apres designébe .. l'Empire allemand possidéra 
es territoires à perpétuité en toute souveraineté et propriété. 
Im Definitivfrieden zu Frankfurt a. M. vom 10. Mai 1871 wird 
diese Bestimmung nur wegen der Gebietsabgrenzung abgeändert. 
Aus vorstehendem erhellt, daß das Deutsche Reich als solches 
Rechtsnachfolger des französischen Staats ist. Das an Deutschland ab- 
getretene Land bildet demnach keinen besonderen Staat mit eigener 
Staatsgewalt,") sondern nur einen Bestandteil des Deutschen Reichs, 
eine Provinz,) Verwaltungsdistrikt (deshalb auch Reichslande genannt). 
Deshalb führt es auch als Wappen den deutschen Reichsadler mit der 
schwebenden Kaiserkrone und die deutschen Reichsfarben „Schwarz- 
Weiß-Rot“. 
In Ausführung des Friedenstraktats wurden durch § 1 des Res. 
betr. die Vereinigung von Elsaß-Lothringen mit dem Deutschen Reiche 
vom 9. Juni 1871 (RGBl. 1871 S. 212, 213) die von Frankreich 
abgetretenen Gebiete für immer mit dem Deutschen Reiche vereinigt. 
Doch sollte die Reichsverfassung erst am 1. Januar 1873 (später 
vertagt auf den 1. Januar 1874) in Wirksamkeit treten (§ 2). Zu- 
gleich bestimmt § 3: „Die Staatsgewalt in Elsaß-Lothringen 
übt der Kaiser aus.“ Seine Anordnungen und Verfügungen be- 
dürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, der 
dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt (8 4). 
Subjekt der Staatsgewalt im Reichslande ist das Deutsche Reich 
selbst, d. h. der Inbegriff aller 25 deutschen Einzelstaaten. In 
Einklang hiermit bemerken die Motive zum RGes. vom 9. Juni 1871: 
„Die Landeshoheit über das von Frankreich abgetretene Gebiet ruht 
im Reiche.“ 
Träger der Staatsgewalt im Reichslande sind die als Ganzes 
zusammengeschlossenen 25 deutschen Einzelstaatsregierungen, 
„die verbündeten Regierungen“. 
1) Vgl. Meyer, Staatsr. S. 173, 187. Haenel, Staatsr. Bd. 1 S. 823 ff. 
Laband, Staatsr. Bd 1 S. 48; Bd. 2 S. 197 ff. v. Seyndel, Kommentar. S. 39. 
Arndt, Kommentar. S 62 ff. Hübler, Organisation der Verwaltung. Berlin 1898. 
S. 83 ff. Posener, Verf. des Deutsch. R S. 23ff. 
:) Einen eigenen Staat sehen in Elsaß-L. diejenigen insbesondere, welche das 
Deutsche Reich als einen Staatenbund erklären. 
*) So die herrschende Meinung, welche von Laband, Hübler, Kirchenheim, 
Schulze u. a. vertreten wird.
	        
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