§ 33. Die Schutzgebiete des Deutschen Reichs. 63
8 38. Die Schutzgebiete ) des Deutschen Reichs.
Schutzgebiete sind diejenigen überseeischen Gebiete, welche unter
der Schutzgewalt des Deutschen Reichs stehen.
Die Zuständigkeit des Reichs zur Erwerbung derselben gründet sich
auf Art. 4. Z. 1 der RV., da ihm dort die Beaufsichtigung und Gesetz-
gebung bezüglich der Kolonisation und Auswanderung in überseeische
Länder übertragen ist.
Ursprünglich überließ das Reich die Besitzergreifung der Tätigkeit
von Privatpersonen, die sich zu Kolonialgesellschaften zusammengeschlossen
hatten und beschränkte sich auf den Schutz und die allgemeine Aufsicht.
Da sich jedoch dieses System nicht bewährte, so übernahm das Reich
in allen Gebieten die vollen Hoheitsrechte.
Schutzgebiete des Deutschen Reichs sind Deutsch-Ostafrika, Kamerun,
Togogebiet, Deutsch-Südwestafrika, Marschall-, Brown- und Providence-
Inseln, Neuguinea, Karolinen, Palau und Marianen, Samoa und
Kiautschou.
Durch Okkupation erworben sind Südwestafrika (Angra Paquena
1884, die Walfischbay untersteht der Oberhoheit Englands), West-
afrika, (Kamerun und Togo 1884), Ostafrika (1885, Witu wurde 1890
an England abgetreten), Kaiser Wilhelmsland, Bismarck-Archipel,
Salomonsinseln (1885, 1886), die Marschall-, Brown= und Providence=
Inseln (1885).
Dagegen sind durch Vertrag erworben Kiautschou, 1898 von China
vorläufig 99 Jahre gepachtet, die Karolinen-, Marianen= und Palau-
inseln 1899 von Spanien gekauft und die Samoainseln (erworben
1899 auf Grund des Auseinandersetzungsvertrages mit England und
den Vereinigten Staaten).
Das Reich übt über die Schutzgebiete die Schutzgewalt aus. Diese
stellt sich nach Laband (S. 145) als eine souveräne Staatsgewalt dar,
welche gewisse Herrscherrechte den Häuptlingen belassen hat.
Die Schutzgebiete sind nicht ein Teil des Reichsgebietes, sie werden
jedoch in einzelnen Beziehungen dem Inlande gleichgestellt.
Die rechtlichen Verhältnisse der Schutzgebiete regeln das Schutz--
gebietsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. September
1900 (RGBl. f. 1900, S. 814—817) und die Verordnung, betr.
die Rechtsverhältnisse in den deutschen Schutzgebieten, vom 9. Nov. 1900
(Rl. f. 1900 S. 1005—1008).
Die Schutzgewalt ist durch § 1 des Reichges. vom 17. April 1886
(neu verkündet 10. September 1900) dem Kaiser übertragen, der sie
ohne Zuziehung des Bundesrat oder Reichstages ausübt. Die Kaiser-
lichen Anordnungen sind vom Reichskanzler gegenzuzeichnen. Für
Angelegenheiten der Schutzgebiete ist die Kolonialabteilung des Aus-
wärtigen Amtes zuständig, welcher als beratende Behörde der Kolonial=
rat beigegeben ist. Nur Kiautschou ist dem Reichsmarineamt unterstellt.
1) Laband, Staatsr. Bd. 1, S. 145. Bd. 2, S. 259 ff. Meyer, Staatsr.
S. 174. Haenel, Staatsr. Bd. 2, S. 836 ff. Freih. v. Stengel, Die Rechts-
verhältnisse der deutschen Schutzgebiete. Tübingen (1901).