Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Erster Band. Deutsches Reich. (1)

84 2. Buch. 2. Abschnitt. Verfassungsrecht des Deutschen Reiches. 
im Heere oder in der Kriegsmarine dienenden Militärperson gilt nicht 
als ein die freie Selbstbestimmung bei der Wahl des Aufenthalts- 
ortes ausschließender Umstand. Wo für Gesinde, Arbeitsleute, Wirt- 
schaftsbeamte, Pächter oder Mieter der Wechsel des Wohnorts zu 
bestimmten, gesetzlich oder herkömmlich feststehenden Terminen stattfindet, 
gilt der übliche Umzugstermin als Anfang der Abwesenheit, sofern 
nicht zwischen diesem Termine und dem tatsächlichen Beginne der Ab- 
wesenheit ein mehr als siebentägiger Zeitraum gelegen hat. Der Lauf 
der Frist ruht, wenn und so lange nach ihrem Beginne die freie 
Selbstbestimmung bei der Wahl des Aufenthaltsortes ausgeschlossen ist, 
desgleichen während der Dauer der von einem Armenverbande ge- 
währten öffentlichen Unterstützung. Ohne Einfluß auf den Lauf der 
Frist ist eine Rückkehr an den bisherigen Aufenthaltsort, wenn aus 
den Umständen, unter welchen sie erfolgt, die Absicht erhellt, den 
Aufenthalt nicht dauernd fortzusetzen. Unterbrochen wird der Lauf der 
Frist durch den von einem Armenverbande gestellten Antrag auf An- 
erkennung der Verpflichtung zur Übernahme eines Hilfsbedürftigen 
und zwar mit dem Tage, an welchem der also gestellte Antrag an den 
betreffenden Armenverband oder an die vorgesetzte Behörde eines der 
Armenverbände abgesandt ist. Die Unterbrechung gilt jedoch als nicht 
erfolgt, wenn der Antrag nicht binnen zwei Monaten durch Anstellung 
der Klage auf Übernahme weiter verfolgt, oder wenn demnächst die 
angestellte Klage abgewiesen wird (Re. vom 6. 6. 70 §§ 9—27). 
Ausländer werden, so lange ihnen der Aufenthalt in Preußen 
gestattet wird, in bezug auf den Erwerb und Verlust des Unter- 
stützungswohnsitzes wie Deutsche behandelt (G. vom 8. 3. 71 § 64). 
8 45. Ausprüche der Armenverbände. 
Jeder hilfsbedürftige Deutsche muß vorläufig von demjenigen 
Ortsarmenverbande unterstützt werden, in dessen Bezirk er sich bei dem 
Eintritt der Hilfsbedürftigkeit befindet. Die vorläufige Unterstützung 
erfolgt vorbehaltlich des Anspruchs auf Erstattung der Kosten bezw. 
auf Übernahme des Hilfsbedürftigen gegen den hierzu verpflichteten 
Armenverband (§ 28 Uh#). 
Als erstattungspflichtig gilt in erster Linie der Ortsarmenverband 
des eigentlichen Unterstützungswohnsitzes. Ist ein Unterstützungswohn- 
fitz des Unterstützten nicht zu ermitteln, so ist die Unterstützung von 
demjenigen Landarmenverband zu gewähren, in dessen Bezirk sich der 
Hilfsbedürftige beim Eintritt der Bedürftigkeit befand oder, falls er 
in hilfsbedürftigem Zustande aus einer Straf-, Bewahr-, Kranken- 
oder Heilanstalt entlassen wurde, von demjenigen Landarmenverbande, 
aus welchem seine Einlieferung in die Anstalt erfolgt ist. 
Die auf Grund des Ges. vom 6. Juni 1870 zu erhebenden Ersatz- 
und Erstattungsansprüche verjähren in zwei Jahren vom Ablauf des 
Entstehungsjahres (§ 30a UE.). Befindet sich das Familienhaupt in 
dem einen und das zuerst der öffentlichen Unterstützung anheim- 
gefallene Familienglied in dem anderen Landarmenverband, so ist der 
letztere der verpflichtete (Wohlers, Entsch. Bd. 27 S. 67); ein Armen- 
 
	        
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