§ 45. Ansprüche der Armenverbände. 85
pflegefall ist auch dann anzunehmen, wenn ein Gefangener vorbehaltlos
wegen Erkrankung aus der Haft entlassen und dadurch hilfsbedürftig
wird (Wohlers Bd. 30 S. 43). Eine beschränkte Erstattungspflicht
findet statt im Falle des § 29 UG. Wenn Personen, welche im Ge-
findedienste stehen, Gesellen, Gewerbegehilfen, Lehrlinge, an dem Orte
ihres Dienstverhältnisses erkranken, so hat der Ortsarmenverband des
Dienstortes die Verpflichtung, den Erkrankten die erforderliche Kur und
Verpflegung zu gewähren. Diese Verpflichtung ist ausschließlich und
definitiv; zu einer vorläufigen (§ 28) wird sie erst nach Anzeige der
Erkrankung und weiteren sieben Tagen (Absatz 2): Striethorst, Arch.
Bd. 100 S. 256.
Ein Anspruch auf Erstattung der entstehenden Kur= und Verpflegungs-
kosten, bezw. auf Üübernahme des Hilfsbedürftigen gegen einen andern
Armenverband erwächst nur, wenn die Krankenpflege länger als sechs
Wochen fortgesetzt wurde, und nur für den über diese Frist hinaus-
gehenden Zeitraum.
Dem zur Unterstützung an sich verpflichteten Armenverbande muß
spätestens sieben Tage vor Ablauf des sechswöchentlichen Zeitraumes
Nachricht von der Erkrankung gegeben werden, widrigenfalls die Er-
stattung der Kosten erst von dem sieben Tage nach dem Eingange
der Nachricht beginnenden Zeitraum an gefordert werden kann (8 29
Abs. 2 UG.).
Die Höhe der zu erstattenden Kosten hängt von dem in jedem
Bundesstaat aufzustellenden Tarif ab, dessen Sätze für die Erstattungs-
forderungen unter den Armenverbänden des betr. Bundesstaats schlecht-
hin maßgebend sind. In Preußen ist ein derartiger Tarif vom Minister
des Innern unter dem 2. Juli 1876 erlassen. Nach diesem durch die
Amtsblätter veröffentlichten Tarife ist für einen Hilfsbedürftigen von
14 und mehr Jahren für jeden Verpflegungstag zu erstatten:
a) für die in der Servisklasseneinteilung Beilage lit. C. des Ges.
v. 25. Juni 1868, betreffend die Quartierleistung für die bewaffnete
Macht während des Friedenszustandes (BGB. S. 544 ff.) in der
dritten bis fünften Klasse aufgeführten Ortschaften 560 Pf.
b) für se den höheren Servisklassen angehörenden Ortschaften
. . 80 Pf.
Der Tarifsatz der für die notwendig gewordene ärztliche oder wund-
ärztliche Behandlung und Verpflegung einschließlich der Arzneien und Heil-
mittel beträgt für den Tag und alle Orte gleichmäßig 20 Pf. vorbehaltlich
besonderer Berechnung und Liquidierung erheblicher außerordentlicher
Mehraufwendungen in Verwundungsfällen oder bei schweren oder an-
steckenden Krankheiten. Die Kosten für unter 14 Jahre alte Personen
sind besonders zu berechnen. Der Tarifsatz bezieht sich nicht auf den
Erstattungsanspruch gegen den Unterstützten und gegen dritte Ver-
pflichtete. Wohlers, Bd. 9 S. 113. ·
Der zur Kostenerstattung verpflichtete Armenverband ist zur Über-
nahme eines Hilfsbedürftigen verpflichtet, wenn die Unterstützung aus
anderen als nur vorübergehenden Gründen, also aus Gründen, deren