106 2. Buch. Die Organe der Staats= und staatlichen Selbstverwaltung.
Verwaltungsgeschäfte, insbesondere Finanzgeschäfte, Truppenverpflegung
und Polizei übertragen wurden, hat auch nach den Kreisordnungen, die
eine neue Verwaltungsreform schufen, seine alte Doppelstellung behalten,
indem er Organ sowohl des Staates, als auch des Kreises geblieben
ist. In erster Linie ist er allerdings Staatsbeamter, da er insbesondere
Organ des Regierungspräsidenten ist, der sein nächster Dienstvorgesetzter
und dessen persönlicher Aufsicht er unterstellt ist (V. vom 30. April
1815 §§ 33, 44). Der Landrat wird deshalb auch vom König er-
nannt. Der Kreistag ist nur befugt, für die Besetzung des erledigten
Landratsamtes geeignete Personen, welche seit mindestens einem Jahre
dem Kreise durch Grundbesitz oder Wohnsitz angehören, in Vorschlag
zu bringen. Das Vorschlagsrecht ist kein Präsentationsrecht, da das
Vorschlagsrecht keine bindende Kraft hat. Geeignet zur Bekleidung
des Landratsamts sind solche, die die Befähigung zum höheren Ver-
waltungsdienst oder Justizdienst erlangt haben oder dem Kreise seit
mindestens einem Jahre durch Grundbesitz oder Wohnsitz angehören
und zugleich mindestens während eines vierjährigen Zeitraumes entweder
als Referendar im Vorbereitungsdienste bei den Gerichten und Ver-
waltungsbehörden oder in Selbstverwaltungsämtern (Kreisdeputierter,
Amtsvorsteher, gewähltes Mitglied des Kreis-, Bezirks-, Provinzial-
ausschusses oder Provinzialrats) des betreffenden Kreises, des Bezirkes
oder der Provinz tätig gewesen sind (KO. 8 74).
An der Spitze der Verwaltung des Kreises steht der Landrat
(LVG. § 36). Als Organ der Staatsregierung führt er die Geschäfte
der allgemeinen Landesverwaltung im Kreise und leitet als Vorsitzender
des Kreistages und des Kreisausschusses die Kommunalverwaltung des
Kreises (§ 76 KO.). Der Landrat hat ferner die gesamte Polizei-
verwaltung im Kreise und in dessen einzelnen Amtsbezirken, Gemeinden
und Gutsbezirken zu überwachen (§ 77 Abs. 2 KO.). Hierzu gehört
anch das Recht zur Entscheidung von Beschwerden. Mit Zustimmung
des Kreisausschusses ist er für seinen Bezirk zum Erlaß von Polizei-
verordnungen befugt. Endlich steht ihm auch die Anfechtung von
ungültigen Beschlüssen des Kreisausschusses in Kommunalangelegen-
heiten zu.
Behufs Stellvertretung des Landrates werden von dem Kreistage
aus der Zahl der Kreisangehörigen zwei Kreisdeputierte auf je 6 Jahre
gewählt, welche der Bestätigung des Oberpräsidenten bedürfen und von
dem Landrate zu vereidigen sind. Die Staatsregierung ist jedoch nicht
verpflichtet, die Stellvertretung des Landrats bei Behinderung desselben
unter allen Umständen einem der Kreisdeputierten zu übertragen, viel-
mehr ist dieselbe befugt, falls sie im staatlichen Interesse es für er-
forderlich erachtet, ohne Berücksichtigung der Kreisdeputierten eine
kommissarische Vertretung anzuordnen. Für kürzere Behinderungsfälle
kann der Kreissekretär als Stellvertreter eintreten, jedoch ist eine solche
Stellvertretung des Landrats ausgeschlossen in dessen Eigenschaft als
Vorsitzender des Kreistages und des Kreisausschusses (§8 118, 136 K.).
II. Der Kreisausschuß. (KO. 8§ 130 ff. 134; LVG. 88 4, 37,
38. 3G. Regul. vom 28. Februar 1884 Mhl. S. 41.)