Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

144 4. Buch. Die Organe der kommunalen Selbstverwaltung in Preußen. 
die Obrigkeit der Stadt und verwaltet grundsätzlich die städtischen Ge- 
meindeangelegenheiten. Eine Begriffsdefinition der Gemeindeangelegen- 
heiten gibt das Gesetz nicht, jedoch hat Theorie und Praxis der Ent- 
stehung und dem Wesen der deutschen Gemeinde entsprechend alles in 
den Bereich der Gemeinde fallend bezeichnet, was die Wohlfahrt des 
Ganzen, die materiellen Interessen und die geistige Entwicklung des 
einzelnen, fördert. Sie kann gemeinnützige Anstalten, welche hierzu dienen, 
einrichten übernehmen und unterstützen. Die Autonomie der Gemeinde 
wird auf allen diesen Gebieten nur durch das staatliche Aufsichtsrecht 
begrenzt (OVG. Bd. 12 S. 155, 158 in v. Kamptz Bd. 1. S. 775). 
a) Der Magistrat. Er besteht aus dem besoldeten Bürgermeister 
(Titel: Oberbürgermeister erst auf Grund Allerhöchster Verleihung), 
einem Beigeordneten oder zweiten Bürgermeister als dessen Stellvertreter, 
einer Anzahl von Schöffen (Stadträten, Ratsherren, Ratsmännern) und, 
wo das Bedürfnis es erfordert, noch aus einem oder mehreren be- 
soldeten Mitgliedern (Syndikus, Kämmerer, Schulrat, Baurat 2c.). 
Die Zahl der Schöffen bezw. Stadträte richtet sich progressiv steigend 
nach der Zahl der Einwohner der Stadt (bei 2500 Einwohnern 2, 
10 000 4, 30 000 6, 60 000 8, 100000 10, bei mehr als 100000 
treten für jede weiteren 50 000 2 Schöffen hinzu). Sämtliche Mit- 
glieder des Magistrats werden von der Stadtverordnetenversammlung 
(besoldete auf 12 Jahre, auch auf Lebenszeit (Ges. vom 25. Februar 
1856 GS. S. 1291, unbesoldete auf 6 Jahre) gewählt und staatlich 
bestätigt. Bürgermeister und Beigeordnete erhalten die Bestätigung 
in Städten über 10 000 Einwohner durch den König, sonst durch den 
Regierungspräsidenten, welchem außerdem das Bestimmungerecht hin- 
sichtlich der Schöffen und besoldeten Magistratsmitglieder in allen 
Städten ohne Unterschied ihrer Größe übertragen ist. 
Bezüglich der Wahl gilt folgendes: Für jedes zu wählende Mitglied 
des Magistrats wird besonders abgestimmt. Die Wahl erfolgt durch 
Stimmzettel. Wird die absolute Stimmenmehrheit bei der ersten 
Abstimmung nicht erreicht, so werden diejenigen 4 Personen, auf 
welche die meisten Stimmen gefallen sind, auf eine engere Wahl 
gebracht. Wird auch hierdurch die absolute Stimmenmehrheit nicht 
erreicht, so findet unter denjenigen zwei Personen, welche bei der 
zweiten Abstimmung die meisten Stimmen erhalten haben, eine engere 
Wahl statt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los. 
Mitglieder des Magistrats können nicht sein: Staatliche Aufsichts- 
beamte über Städte, Stadtverordnete, Gemeindeunterbeamte, Gemeinde- 
einnehmer, Geistliche, Kirchendiener, Lehrer an öffentlichen Schulen, 
richterliche Beamte (nicht Richter im Ehrenamt), Beamte der Staats- 
anwaltschaft und der Polizei. 
Vater und Sohn, Schwiegervater und Schwiegersohn, Brüder und 
Schwäger dürfen nicht zugleich Mitglieder des Magistrats sein. Ent- 
steht die Schwägerschaft im Laufe der Wahlperiode, so scheidet dasjenige 
Mitglied aus, durch welches das Hindernis herbeigeführt worden ist. Vater 
und Sohn, Schwiegervater und Schwiegersohn, sowie Brüder dürfen nicht 
Mitglieder des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung sein.“
	        
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