Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

208 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
findet nicht statt, jedoch besteht für die Wertermittlung ein Schätzungs- 
ausschuß. Die Steuerpflichtigen sind zur Vermögensanzeige berechtigt, 
welche zu beanstanden oder für die Veranlagung maßgebend ist. Die 
Veranlagungsperiode umfaßt drei Jahre. Die Rechtsmittel sind die 
gleichen wie bei der Einkommensteuer. 
Vierter Titel. 
8 59. Stempelstener. 7!) 
1. Geschichtliche Grundlagen. Die Grundlage für das Stempel- 
wesen in Preußen bildet das Gesetz vom 7. März 1822, welches unter 
Aufhebung aller bis dahin bestehenden Stempelgebühren und aller 
Gesetze und Verordnungen, welche sich auf die abgeschafften Abgaben 
bezogen, das Stempelwesen für diejenigen Landesteile, die im Jahre 
1822 dem Preußischen Staate angehörten, einheitlich und von Grund 
aus neu regelte. Auch die Stempelsteuerverordnungen vom 19. Juli 
und vom 7. August 1867 nebst den ihnen beigefügten Tarifen, durch 
welche die Verwaltung des Stempelwesens in den 1866 neu erworbenen 
Landesteilen geordnet wurde, lehnen sich deshalb auf das engste an 
das altpreußische Gesetz vom Jahre 1822 und die zur Ergänzung und 
Abänderung desselben ergangenen Bestimmungen an. 
So grundlegend und mustergültig die Stempelgesetzgebung von 1822 
war, so genügte sie nicht mehr, als durch den wirtschaftlichen Auf- 
schwung und die fortschreitende Entwicklung des Handels und Verkehrs 
neue Gesellschaftsformen und Geschäftstypen entstanden, für welche die 
Bestimmungen des Gesetzes von 1822 versagten. Auch waren mit dem 
wachsenden Wohlstand Preußens und Deutschlands die Geld= und Ver- 
mögensverhältnisse andere geworden. Das Interesse sowohl des Steuer- 
fiskus als der Steuerpflichtigen erheischte dringend eine Reform der 
unter anderen Verhältnissen entstandenen und der heutigen Handels- 
und Verkehrsentwicklung zum großen Teil nicht mehr entsprechenden 
Gesetzgebung. Auf dieser Grundlage erwuchs das neue preußische 
Stenptsteuergeses nebst Tarif vom 31. Juli 1895. (GS. 
S. 413. 
In der Begründung zu diesem Gesetz wird als dessen Aufgabe be- 
zeichnet, „unter Festhaltung der bisherigen Grundlagen der preußischen 
Stempelgesetzgebung die zerstreut liegenden Gesetze und Verordnungen 
einheitlich zusammenzufassen und diejenigen Bestimmungen, welche sich 
bis in die Gegenwart hinein bewährt haben, unberührt zu lassen, anderer- 
seits aber veraltete und den Bedürfnissen des heutigen Verkehrs nicht 
mehr entsprechende Bestimmungen auszusondern oder zu ändern, vor- 
handene Lücken zu ergänzen und erkannte Härten durch Herbeiführung 
einer gerechteren, insbesondere die weniger bemittelten Klassen der Be- 
völkerung mehr berücksichtigenden Besteuerung zu mildern. Trotz dieser 
veränderten Verhältnisse wird durch das Gesetz von 1895 das Stempel- 
  
1) Literatur: Kommentare von E. Heinitz, 3. Aufl. Berlin 1905; Hummel 
und (Specht. Berlin 1904. Textausgaben: Boehm und Sontag, 3. Aufl. 
Berlin 1901; Loeck, 5. Aufl. Berlin 1901.
	        
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