Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

216 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
erledigen. Auch ist das Erbschaftssteueramt befugt, über die Nichtig- 
keit des eingereichten Verzeichnisses und der Deklaration eine eidesstatt- 
liche Versicherung zu verlangen. 
Gegen die hiernach von dem Erbschaftssteueramte bewirkte Feststellung 
der Steuer kann der Rechtsweg beschritten werden, wodurch jedoch die 
Zahlung der eventuell zurückzuerstattenden Steuer nicht aufgehalten 
ker darf. Eines Vorbehalts bei der Zahlung der Steuer bedarf 
es nicht. 
Wer die gesetzliche Verpflichtung zur Anmeldung eines steuerpflichtigen 
Anfalles oder zur Vorlegung des Verzeichnisses und der Deklaration 
nicht rechtzeitig erfüllt, hat die durch die amtlichen Ermittelungen ent- 
tehenden Kosten zu tragen, die infolge seiner Säumigkeit etwa aus- 
fallenden Steuerbeträge zu ersetzen und verfällt außerdem in eine dem 
doppelten Betrage der Erbschaftssteuer von dem betreffenden Anfalle 
gleiche Strafe, und wenn der Betrag der Erbschaftssteuer nicht ermittelt 
werden kann, in eine Geldstrafe bis zu 3000 M. Kann nachgewiesen 
werden, daß die Absicht einer Hinterziehung nicht vorgewaltet hat, so 
tritt nur eine Ordnungsstrafe bis zu 150 M. ein. — Die Erbschafts- 
steuer verjährt in 10 Jahren, zur Hebung gestellte Steuerbeträge in 
4 Jahren nach Ablauf desjenigen Kalenderjahres, in welches der letzte 
Tag der Zahlungs= oder Stundungsfrist fällt bezw. in welchem die 
letzte auf die Beitreibung des Rückstandes gerichtete amtliche Handlung 
vorgenommen ist. 
Grundzüge des Reichserbschaftssteuergesetzes vom 3. Juni 
1906. 1) Zur Deckung der Reichsschulden ist an Stelle der in allen 
deutschen Bundesstaaten (außer Waldeck) bestehenden Landeserbschafts- 
steuern, die zusammen zirka 20 Millionen (darunter Preußen mit 
11 Millionen) einbrachten, die Reichserbschaftssteuer getreten, von der 
ein Erlös von mindestens 70 Millionen erwartet wird. Vom 
Reinertrage erhält 5 das Reich, ½ bleibt dem die Steuer ein- 
ziehenden Einzelstaate. Dieses Drittel soll allerdings bis 1910 die 
Durchschnittseinnahme von 1901—1905 erreichen. 
Grundlegende Gesichtspunkte für die neue Steuer sind: Be- 
schränkung auf die nicht an Ehegatten und Kinder fallenden Erb- 
schaften. Steigerung der Steuersätze mit Rücksicht auf die Gradesnähe 
der Verwandtschaft und die Höhe der Erbschaft. Rücksichtnahme bei 
Erbschaften der Minderbemittelten aus sozialpolitischen Gesichtspunkten. 
Gleichstellung der Schenkungen und Stiftungen mit den Erbschaften 
(Schenkungs-, Stiftungssteuer). 
Gegensltand der Erbschaftssteuer ist der Erwerb von Todes 
wegen. Als solcher gilt Vermächtnis, Schenkung von Todes wegen, 
Schenkung unter Lebenden in Anrechnung auf den Pflichtteil, Erb- 
verzicht, Ausschlagung einer Erbschaft oder Vermächtnis, Erwerb durch 
den Eintritt eines Lehens= oder Fideikommißfalls, Bezüge aus Familien= 
  
  
  
1) Wegen des z. Zt. der Ausgabe des Reichsgesetzblattes, in welchem das Reichs- 
erbschaftssteuergesetz enthalten war, weit vorgeschrittenen Druckes von Bd. 1 dieses 
Werkes war es nicht möglich, noch eine Inhaltsangabe dieses Gesetzes in Bd. 1 zu 
bringen. Es wird deshalb an dieser Stelle das Versäumte nachgeholt.
	        
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