Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

222 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
vom Hundert auf ½0, über 5—6 vom Hundert auf ½10 und über 
6 vom Hundert auf ⅝0. 
B. Die Gemeinde (Kommunal)- Stenergesetzgebung. 
Erster Titel. 
§ 61. Allgemeines. 
Mit der Umgestaltung des Staatssteuersystems ist auch eine um- 
fassende Neugestaltung des Gemeinde (Kommunal)-Abgabewesens Hand 
in Hand gegangen. Es war dies zum Teil auch durch den staatlicher- 
seits ausgesprochenen Verzicht auf die Grund= und Gebäudesteuer und 
durch die Steuern auf den stehenden Gewerbebetrieb und deren Über- 
weisung an die Gemeinden mit veranlaßt worden (Ges. wegen Auf- 
hebung direkter Staatssteuern vom 14. Juli 1898). 
Um eine einheitliche Gestaltung des kommunalen Steuerwesens in 
Preußen herbeizuführen, erging das Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 
1893 (GS. S. 152), zu dem noch die Ausführungsanweisung der 
Minister des Innern und der Finanzen vom 10. Mai 1894 erlassen ist. 
Die Grundtendenz dieses für die Kommunen äußerst wichtigen 
Gesetzes geht nach der Ausführungsanweisung dahin, diejenigen Aus- 
gaben, welche in erkennbarer Weise zum Vorteile einzelner Gemeinde- 
angehörigen oder einzelner Klassen von solchen aufgewendet oder von 
ihnen verursacht werden, insoweit nach dem Maßstabe von Leistung 
und Gegenleistung, sonstige Ausgaben aber vorzugsweise nach dem 
Maßstabe der Leistungsfähigkeit aufzubringen. Die Deckung des 
Finanzbedarfs nach dem Maßstabe von Leistung und Gegenleistung 
geschieht vorzugsweise durch Gebühren, Beiträge und Realsteuern, 
während zur Aufbringung des Finanzbedarfs nach dem Maßstabe der 
Leistungsfähigkeit die Einkommensteuer dient. 
Über das Maß der Besteuerung stellt das Gesetz die Regel auf, 
daß die Gemeinden die Erhebung der Steuern auf den notwendigen 
Bedarf zu beschränken haben. Dadurch soll verhindert werden, daß 
Gemeindevermögen, dessen Einkünfte in Zukunft zur Deckung der 
Gemeindeausgaben dienen sollen, durch Steuererhebung angesammelt 
werde. Sie hindert dagegen nicht, daß Fonds für bestimmte Zwecke 
(Schulbau-, Pflasterungskosten usw.), deren Beschaffung auf einmal 
den Steuerpflichtigen zu schwer fallen würde, im Laufe der Jahre 
allmählich angesammelt werden. Sie würde auch der Bildung eines 
Betriebsfonds (sogenannten eisernen Fonds) nicht im Wege stehen, aus 
welchem die Gemeindeabgaben alljährlich, solange Steuern noch nicht 
erhoben werden können, vorläufig zu decken sind. Was das Ver- 
hältnis der direkten zu den indirekten Steuern anlangt, so hat das 
Gesetz hierzu bestimmt, daß durch direkte Steuern nur der Bedarf 
aufgebracht werden darf, welcher nach Abzug des Aufkommens durch 
indirekte Steuern von dem gesamten Steuerbedarfe verbleibt. 
Für die Verwaltung gewerblicher Unternehmungen ist nach der Ausf. 
Anw. Art. 3 der Grundsatz maßgebend, daß durch die Einnahmen 
mindestens die gesamten durch die Unternehmung der Gemeinde er- 
  
  
  
 
	        
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