Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

248 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
Wesen und Begriff der Polizei. Auch auf dem Gebiete der ästhetischen 
Rücksichten ist eine Zuständigkeit der Polizeibehörde nur auf Grund be- 
sonderer gesetzlicher Vorschriften anzunehmen. Es mußte deshalb zum 
Schutze landschaftlich hervorragender Gegenden zwecks Zulässigkeit des 
Erlasses polizeilicher Verbote ein diesbezügliches besonderes Gesetz er- 
lassen werden. Dies ist geschehen durch das Ges. vom 2. Juni 1902 
8 S 159) gegen die Verunstaltung landschaftlich hervorragender 
egenden. 
8 67. 2. Polizeiliche Maßnahmen 1) (Polizeiverordnung und 
verfügung). 
a) Allgemeines. Bereits das preußische ALR. bestimmte in 
§ 12, II, 17 generell, daß „bei einem jeden Vorfall, wodurch die unter 
der besonderen Obsorge der Polizei stehende Offentlichkeit und Sicher- 
heit gestört worden ist, die Polizei das Recht des ersten Angriffs und 
der vorläufigen Untersuchung hat“. 
Dies Recht der Polizei ist nicht beschränkt auf die Verhinderung und 
Verfolgung strafbarer Handlungen (vgl. auch § 161 St PO.), sondern 
erstreckt sich auch auf die Verfolgung solcher Handlungen, welche durch 
Polizeiverordnungen unter Strafe gestellt sind. Voraussetzung jedes 
polizeilichen Einschreitens ist, daß dieses sich auf eine Norm des öffent- 
lichen Rechts stützt. Daraus hat man (Nosin) nicht unzutreffend ge- 
folgert, daß in den Polizeistrafverordnungen die Ausübung eines den 
Polizeibehörden delegierten Gesetzgebungsrechts liege, kraft desselben sie 
ermächtigt sind, Rechtsvorschriften zu erlassen, durch welche polizeiliche 
Gebote oder Verbote den Staatsbürgern gewisse Handlungen oder 
Unterlassungen anbefehlen, deren Ubertretung mit öffentlicher Strafe 
bedroht ist. Eine unmittelbar drohende Gefahr ist nicht Er- 
fordernis, es genügt eine nach verständigem Ermessen zu erwartende 
Gefahr. Die Umstände des einzelnen Falles sind maßgebend für An- 
laß, Zeitpunkt und Art des polizeilichen Einschreitens und der zu er- 
greifenden Maßnahmen. Bezüglich der Wahl der Mittel ist dem Er- 
messen der Polizeibehörden freier Spielraum gelassen, jedoch wird nach 
Möglichkeit danach getrachtet werden müssen, daß wirtschaftliche Nach- 
teile vermieden werden, und ein Ausgleich der verschiedenen, dabei in 
Betracht kommenden Interessen stattfindet. 
Nur dann, wenn die von der Polizei ergriffenen Maßnahmen (Ver- 
fügungen) völlig unangemessen und zweckwidrig sind, können sie durch 
den Verwaltungsrichter aufgehoben werden. 
Ist seitens der Polizei ein an sich rechtswidriger Zustand längere 
Zeit hindurch geduldet worden, so verliert die Polizei damit nicht das 
Recht des polizeilichen Einschreitens und kann jederzeit nachträglich das 
Erforderliche veranlassen (OVG. E. Bd. 2 S. 422; Bd. 4 S. 373, 
Bd. 6 S. 322). Ebenso kann die Polizei, wenn ihre Organe sich in 
ihren Maßnahmen geirrt, nachträglich das nach dem Gesetz Erforder- 
liche verlangen; der Verfügungsgewalt der Polizei gegenüber gibt es 
keine Verjährung. 
1) Vgl. v. Arnstedt a. a. O. Bd. 1 S. 46 ff.
	        
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