280 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung.
Gründen verboten wird, bestimmen sich nach § 127 LVG. (Beschwerde
und gegen den in letzter Instanz ergangenen Bescheid des Regierungs-
präsidenten bezw. Oberpräsidenten Klage bei dem Oberverwaltungs-
gerichte). Das polizeiliche Verbot kann sich auf eine Ortspolizeiver-
ordnung stützen, welche die Aufführung eines Theaterstücks aus sitten-
umd ordnungspolizeilichen Gründen verbietet. (OVG. E. v. 1. Dezember
1892 Bd. IV, S. 311.) Dem steht auch § 1 der Röew)O. nicht
entgegen.
8 72. Gesundheitspolizei. 1)
1. Allgemeines. Die großartige Entwicklung, welche die deutsche
Heil= und Medizinalwissenschaft im 19. Jahrhundert aufzuweisen hat,
die Fortschritte dieser Wissenschaft auf den Spezialgebieten der Chirurgie,
der Augenheilkunde und der inneren Krankheiten, das Hinzutreten
neuer Wissenschaftszweige, der Hygiene und Bakterienkunde, sind nicht
ohne Einfluß auf die staatliche Gesundheitspflege und Gesundheits-
polizei geblieben. Vor allem hat aber auch die deutsche Sozialgesetz-
gebung, welche eine Zwangsversicherung kranker, invalider, durch Be-
triebsunfälle in ihrer Erwerbsfähigkeit und Arbeitsfähigkeit beein-
trächtigter Arbeiter aller Gewerbe und der Land= und Forstwirtschaft
eingeführt hat, die ärztliche Behandlung und Heilung dieser besitzlosen
Klassen auf Kosten öffentlicher Verbände den Vertretern und Anstalten
des Heil= und Medizinalwesens zugeführt und damit eine weitgehende
Umwälzung des celamten-Medizinalwesens und dessen Einrichtungen
berbeigeführt. Allerorten finden sich Spezialisten der medizinischen
Wissenszweige, die ihre ärztliche Hilfe und ihre Einrichtungen den be-
sitzlosen, arbeitenden Klassen zugute kommen lassen. Durch die soziale
Gesetzgebung sind neue Arbeitsgebiete den Vertretern der Heilkunde
erschlossen, medizinische und hygienische Fragen sind auch seitens des
Staates Gegenstand seiner Obhut und seiner Fürsorge geworden.
Staatlicherseits begann man, um den wachsenden Anforderungen der
Allgemeinheit gerecht zu werden, die Städte, Gemeinden, Provinzial=
und Kreisverbände zur Einrichtung von Krankenhäusern anzuhalten,
man ließ Vereinen und Verbänden zur Gründung von Genesungs-
heimen, Anstalten für Unfallverletzte und Invalide, Lungenheilstätten,
Altersheimen staatliche Förderung und Unterstützung zuteil werden.
Fast alle Verwaltungsressorts des Staates stehen mit der Gesundheits-
pflege und Gesundheitspolizei in irgend einem Zusammenhang und
manche Zweige des Verwaltungsrechts, wie das Gewerbe-, Wasser-, Bau-,
Wohnungs-, Schul-, Berg= und Forstrecht sind in erheblichstem Maße
von ihr beeinflußt worden. Die Gesund eitspflege. dient keineswegs.
bloß wegen der Seuchengefahr den Interessen der besitzenden Klassen,
sondern erstreckt sich auch auf die Interessen der Belsigrosenböôn der
richtigen, stets fortschreitenden Gesundheitspflege hängt das Wohl der
heranwachsenden Jugend, die Schlagfertigkeit des Heeres, Gesundheit
1) 1# E. Bernatzik in P. Hinneberg, Die Kultur der Gegenwart. Verwaltungs-
recht. II. Polizei und Kulturpflege. S. 887 ff.