Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

284 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
Mit Geldstrafe bis zu 300 M. und im Unvermögensfalle mit Haft 
wird bestraft nach § 147 Ziff. 3 der GO., wer ohne hierzu approbiert 
zu sein, sich als Arzt bezeichnet oder sich einen ähnlichen Titel beilegt, 
durch den der Glaube erweckt wird, der Inhaber desselben sei eine 
geprüfte Medizinalperson. Die im Auslande erworbenen Approbationen 
als Medizinalpersonen berechtigen zur Titelführung nicht. 
Zur Wahrnehmung der ärztlichen Berufs= und Standesinteressen 
und zur Erörterung aller Angelegenheiten der öffentlichen Gesundheits- 
pflege ist für jede Provinz eine Arztekammer errichtet, deren Mit- 
glieder von den Arzten der betreffenden Provinz auf 3 Jahre gewählt 
werden. Die Aufsicht führt der Oberpräsident. Jede Arztekammer 
ist befugt, von den wahlberechtigten Arzten des Kammerbezirks einen 
von ihr festzusetzenden jährlichen Beitrag zur Deckung ihres Kassen- 
bedarfs zu erheben. Soweit der Beschluß die Höhe des Beitrages und 
die Festsetzung des Beitragsfußes betrifft, bedarf er der Genehmigung 
des Oberpräsidenten. Die Kasse der Arztekammer hat alle Rechte einer 
juristischen Person und wird von dem Vorstande der Ärztekammer ver- 
waltet und nach außen vertreten. Den Kassenführer wählt der Vor- 
stand der Arztekammer für die Dauer der Amtszeit aus seiner Mitte 
(§§ 49 ff. d. Ges. vom 25. November 1899 (GS. S. 565). 
Für den Bezirk jeder Ärztekammer ist ein är ztliches Ehren- 
gericht, für den Umfang der Monarchie ein ärztlicher Ehren- 
gerichtshof gebildet worden.!) Die Zuständigkeit des Ehrengerichts 
erstreckt sich auf die approbierten ärzte, ausschließlich der beamteten, 
der Militär= und Marineärzte. Das Ehrengericht hat die Aufrecht- 
erhaltung der ärztlichen Standesehre und insbesondere die Erfüllung 
der ärztlichen Berufspflichten zu überwachen. Neben dieser ehren- 
gerichtlichen Strafgewalt, wobei jedoch derselben insofern eine 
Schranke (im § 3 Abs. 2 des Ges. vom 25. November 1899 [GS. 
S. 5651) gezogen ist, als politische, wissenschaftliche und religiöse 
Handlungen eines Arztes als solche niemals den Gegenstand eines 
ehrengerichtlichen Verfahrens bilden können, hat das Ehrengericht auch 
die Beilegung von Streitigkeiten zu vermitteln, welche sich aus dem 
arztlichen Berufsverhältnisse zwischen Arzten oder zwischen einem 
Arzte oder einer anderen Person ergeben. Das Ehrengericht besteht 
aus dem Vorsitzenden, drei Mitgliedern der Arztekammer und aus 
einem von dem Vorstande der Arztekammer für die Dauer von 6 Jahren 
gewählten richterlichen Mitglied eines ordentlichen Gerichts (5 Mit- 
glieder und 5 Stellvertreter). Das förmliche ehrengerichtliche Ver- 
fahren besteht in Voruntersuchung und Hauptverhandlung. Die 
Voruntersuchung bildet einen integrierenden Teil des förmlichen 
ehrengerichtlichen Verfahrens. Ihr Zweck ist, den Tatbestand völlig 
klarzustellen, auch den von dem Angeschuldigten angetretenen Ent- 
lastungsbeweis zu erheben. Die Hauptverhandlung ist nicht öffentlich 
und kann stattfinden, auch wenn der Angeschuldigte trotz Vorladung 
1) Vgl. Gesetz, betr. die ärztlichen Ehrengerichte, das Umlagerecht und die Kassen 
der ÄArztekammern vom 25. November 1899 (GS. S. 565). Hierzu Altmann, F., Arztl. 
Ehrengerichte u. ärzll. Standesorganisation in Preußen. Kommentar. Berlin 1900.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.