§ 72. Gesundheitspolizei. 285
nicht erschienen ist. Die Hauptverhandlung schließt mit der Verkündung
der Entscheidung, die nur auf Freisprechung oder Verurteilung lauten
kann. Das Ehrengericht urteilt dabei nach seiner freien Überzeugung.
Eine Ausfertigung der mit Gründen versehenen Entscheidung ist dem
Angeschuldigten zuzustellen. Das Ehrengericht beschließt und entscheidet
nach absoluter Stimmenmehrheit in der Besetzung von 5 Mitgliedern.
Die ehrengerichtlichen Strafen sind Warnung, Verweis, Geldstrafe
bis zu 3000 M., auf Zeit beschränkte oder dauernde Entziehung des.
aktiven und passiven Wahlrechts zur Ärztekammer. Gegen die Ent-
scheidung des Ehrengerichts steht sowohl dem Vertreter der Anklage,
als dem Angeschuldigten die Berufung an den Ehrengerichtshof zu.
Der Ehrengerichtshof besteht aus dem Leiter der Medizinalabteilung
des Ministeriums der Medizinalangelegenheiten, aus vier Mitgliedern
des Arztekammerausschusses und aus zwei anderen Arzten. Die letzteren
und zwei Stellvertreter werden von dem König ernannt, die vier Mit-
glieder des Arztekammerausschusses und deren Stellvertreter werden von
dem Ausschusse mit absoluter Stimmenmehrheit gewählt. Der Ehren-
gerichtshof beschließt und entscheidet nach absoluter Stimmenmehrheit in
der Besetzung von sieben Mitgliedern. Zu jeder dem Angeschuldigten
nachteiligen Entscheidung, welche die Schuldfrage betrifft, ist jedoch eine
Mehrheit von //: der Stimmen erforderlich. Auf das Verfahren in
der Berufungs= und Beschwerdeinstanz finden die Vorschriften über das
Verfahren erster Instanz entsprechende Anwendung.
ie notwendige Ergänzung des Arztwesens bildet das Apotheken-
wesen.
Die Rechte der Apotheker werden im preußischen ALR. II, 8
§ 450 dahin bestimmt, daß sie zur Zubereitung der Arzneimittel,
ingleichen zum Verkaufe derselben und der Gifte ausschließlich befugt
sind. Ergänzend tritt jetzt hinzu die Vorschrift des § 6 Abs. 2 der
GO., wonach durch Kaiserliche Verordnung bestimmt wird, welche
Apothekerwaren dem freien Verkehr zu überlassen sind. Es sind dem-
nächst in der Folgezeit erlassen worden, V. betreffend den Verkehr mit
Arzneimitteln, vom 27. Januar 1890 (REB. S. 9) und dazu V.
vom 31. Dezember 1894 (RBl. 1895 S. 1), vom 25. November
1895 (RRBl. S. 455) und vom 19. August 1897 (RGBl. S. 707).
Mit Geldstrafe bis 150 M. oder mit Haft wird bestraft, wer ohne
polizeiliche Erlaubnis Gift oder Arzneien, soweit der Handel mit
denselben nicht freigegeben ist, zubereitet, feilhält, verkauft oder sonst
an andere überläßt (§ 367 Nr. 3 StG..
Nach der revidierten Apothekerordnung vom 11. Oktober 1801, deren
§§ 1—7, 12, 13, 15’—24 des Tit. 1 noch in Geltung sind, berechtigt
zur Ausübung der Apothekerkunst an einem Orte nur
1. ein landesherrliches Privilegium,
2. das Approbationspatent
Die Apothekenprivilegia, welche einmal in einem Orte fundiert
sind, sind sowohl erblich als überhaupt veräußerlich, es wäre denn,
daß sie nur dem Besitzer für seine Person verliehen worden; doch
gehört zur Besitzfähigkeit des Erwerbers, daß er selbst ein gelernter