Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

322 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
1½/ Prozent des Absindungslapitals, zu tilgen. Der Anerbe und, 
sofern die Rente im Grundbuche eingetragen ist, auch der Eigentümer 
des Anerbengutes sind berechtigt, die Rente nach vorgängiger drei- 
monatiger Kündigung durch Kapitalzahlung abzulösen (§ 21). Die 
Erbabfindungsrente kann auf Antrag eines Beteiligten bei der General- 
kommission durch Vermittelung der Rentenbank abgelöst werden (§ 22). 
Wird das Anerbengut innerhalb 20 Jahren nach dem Tode des 
Erblassers verkauft, so steht den anerbenberechtigten Miterben, soweit 
sie nicht auf das Anerbenrecht verzichtet haben, ein gesetzliches Vorkaufs= 
recht zu (§ 27). Wer letztwillig über das Anerbengut verfügen kann, 
kann in einer gerichtlichen, notariellen oder in einer eigenhändig ge- 
und unterschriebenen, von dem Amts= oder Gemeinde-(Guts-vorsteher 
beglaubigten Urkunde (auch die Testamentsform des § 2231 BGB. 
lholographisches Testament] genügt, vgl. § 6 dieses Ges.) die Person 
des Anerben unter den Miterben näher bestimmen; er kann auch 
anordnen, daß der Anerbe verpflichtet sein soll, seine Miterben 
gegen angemessene Mitarbeit längstens bis zu deren Großjährigkeit 
standesgemäß zu erziehen und sie für den Notfall auf dem Anerben- 
gute zu unterhalten, und daß dagegen während dieser Zeit der An- 
spruch der Miterben auf Zahlung der Abfindungsrente ruhen soll, 
ferner daß das Anerbengut von den leiblichen Eltern des Anerben 
bis zu dessen Großjährigkeit in eigene Nutzung und Verwaltung 
genommen werden kann, unter der Verpflichtung standesgemäßer 
Erziehung und Unterhaltung des Anerben und Zahlung der Abfindungs- 
rente an die Miterben bezw. Erziehung und Unterhaltung dieser (§ 32). 
  
Zweiter Titel. 
Familienfideikommißrecht. ) 
8 81. Geschichtliches, Begriff und Wesen der 
Familienfideikommisse. 
1. Geschichtliches. Schon im 11. Jahrhundert wurde es üblich, 
durch Rechtsgeschäfte gewisse Güter im Mannesstamme auf die Dauer 
in derselben Familie zu erhalten. Man benutzte dazu die Vergabungen 
zu gesamter Hand mit Veräußerungsverbot und Ausschluß der kognatischen 
Erbfolge. Nach der Rezeption setzte der hohe Adel vorstehendes Recht 
im Wege der Autonomie durch, für den niederen Adel bildete die 
römische Doktrin das Familienfideikommiß aus. 
Die Familienfideikommisse beruhen auf einem seit dem 16. Jahr- 
hundert entstandenen und von Knipschildt bezeugten Gewohnheitsrecht, 
welches an die Stammgüter anknüpft. 
1) Literatur: Knipschildt, de fideicommissis familiarum nobilium. 1654; 
Lewis, Das Recht des Familienfideikommisses. Berlin 1862; Dernburg, Bürgerl. N. 
Bd. 3 §§ 125— 133; Derselbe, Preußisches Privatrecht Bd. I §§ 374—379, Eccius 
(Förster), Preußisches Privatrecht Bd. 4 §§ 241, 242. ÜUber das Für und Wider 
bezüglich des Fortbestandes bezw. Beseitigung der Fideikommisse ist eine lehrreiche 
Zusammenstellung gegeben in den Protokollen der Kommission f. d. zweite Lesung 
des Entw. e. BoB. Bd. 6 S. 369 ff.
	        
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