Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 5. Der Landtag. 15 
Zwischenverhandlungen mit dem Abgeordnetenhaus über einzelne Punkte, 
Annahme von Resolutionen zu dem Etatsgesetz. Aus jener lediglich 
für die Vorlagen der Staatsregierung maßgebenden Bestimmung folgt 
übrigens nicht, daß das Herrenhaus nicht auch befugt wäre, seinerseits 
Finanzgesetze vorzuschlagen oder Finanzgesetentwirse außer dem Etat 
zu amendieren. 
B. Haus der Abgeordneten. 
Das Haus der Abgeordneten bestand anfänglich seit Hinzutritt der 
neuen Provinzen und Einverleibung Lauenburgs (1876) aus 433 Mit- 
gliedern. Diese Zahl beträgt jetzt nach dem Gesetz v. 28. Juni 1906 
(GS. S. 318) 443. Die Wahl dieser Abgeordneten geschieht durch 
allgemeine, indirekte und offene Wahlen auf Grund des 
Dreiklassenwahlsystems. Die Wahl vollzieht sich in folgender 
Weise: Der Staat wird in Wahlbezirke geteilt, die wieder in Ur- 
wahlbezirke zerfallen. Die Urwähler wählen in den Urwahlbezirken 
die sogenannten Wahlmänner, welche dann ihrerseits für den Wahl- 
bezirk einen Abgeordneten wählen. Die Wahl des Abgeordneten ge- 
schieht daher mittelbar oder in direkt. Der Urwahlbezirk umfaßt 
mindestens 750 und höchstens 1749 Seelen; auf je 250 Seelen wird 
ein Wahlmann aus der Zahl der stimmberechtigten Urwähler des Ur- 
wahlbezirks gewählt, also mindestens 3 und höchstens 6 Wahlmänner 
für den Urwahlbezirk. Die Urwähler zerfallen nach Maßgabe der von 
ihnen zu entrichtenden direkten Staats= und Kommunal= (Provinzial-, 
Bezirks-, Kreis= und Gemeinde-) steuern in drei Abteilungen 
(das sogenannte Dreiklassensystem), und zwar in Höchst-, Mittel- 
und Niedrigstbesteuerte. Hierbei entfällt auf jede Abteilung je ein 
Drittel von der Gesamtsumme der Steuerbeträge aller Urwähler im 
Wahlbezirke. In der ersten Abteilung sind also die Meistbesteuerten, 
in der letzten die Mindestbesteuerten und die, welche gar keine Staats- 
steuern zahlen, dabei ist für jede nicht zur Staatseinkommensteuer ver- 
anlagte Person an Stelle dieser Steuer ein Betrag von 3 M. zum 
Ansatz zu bringen (Ges. v. 29. Juni 1893, GS. S. 103). Jede 
Abteilung wählt, da mindestens 3 Wahlmänner zu wählen sind, einen 
Wahlmann, bei 6 Wahlmännern je 2 Wahlmänner. Ist ihre Zahl 
nicht durch 3 teilbar, so fallen zwei überschießende der 1. und 3. Ab- 
teilung, einer dagegen der 2. Abteilung zu (z. B. sind daher 4 Wahl- 
männer zu wählen, so wählt die 2. Abteilung 2; sind 5 Wahlmänner 
zu wählen, so haben Abt. 1 und 3 je 2 Wahlmänner zu wählen). 
Urwähler ist nach § 8 der Wahlordn. v. 30. Mai 1849, GS. 
S. 205, ergänzt durch Ges. betr. Abänderung der Vorschriften über 
das Verfahren bei den Wahlen zum Hause der Abgeordneten v. 28. Juni 
1906 (GS. S.318): jeder selbständige Preuße, welcher das 24. Lebens- 
jahr vollendet hat, sich im Vollbesitz der bürgerlichen Ehrenrechte be- 
findet, in der betr. Gemeinde 6 Monate wohnt oder sich aufhält und 
nicht aus öffentlichen Mitteln für sich oder seine Familie Armenunter- 
stützung erhält. Für aktive Militärpersonen ruht das aktive Wahlrecht 
(R. Mil. G. v. 2. Mai 1874 §F 49). 
Die Wahlen erfolgen nach absoluter Mehrheit durch öffentliche
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.