Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

18 1. Buch. Verfassung des preußischen Staates. 
erfordert, oder pantomimische Kundgebungen darunter. (Vgl. Ols- 
hausen-Zweigert, Kommentar zum StGB. Bd. 1 Anm. 3a zu 8 11 
(7. Aufl.) S. 79.) 
Kein Mitglied der Kammer kann ohne deren Genehmigung während 
der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung 
zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei 
Ausübung der Tat oder im Laufe des nächstfolgenden Tages nach 
derselben ergriffen wird. Jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied 
der Kammer und eine jede Untersuchungs= oder Zivilhaft wird für 
die Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben, wenn die betreffende 
Kammer es verlangt (Art. 84 Vl.). 
Wenn ein Kammermitglied ein besoldetes Staatsamt annimmt oder 
im Staatsdienste in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang 
oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme 
in der Kammer und kann seine Stelle in derselben nur durch neue 
Wahl wieder erlangen (Art. 68 Abs. 3 Vu.). Vorstehende Bestimmung 
hat allerdings nur praktische Bedeutung für die Mitglieder des Ab- 
geordnetenhauses, da bei den Mitgliedern des Herrenhauses eine Wahl 
nicht in Frage kommt. 
Was die Rechte beider Häuser des Landtages anlangt, so 
sind dieselben folgende: 
1. Sie üben mit dem Könige gemeinschaftlich die gesetz- 
gebende Gewalt aus. „Die UÜbereinstimmung des Königs und 
beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich“ (Art. 62 Vl.). 
Erforderlich, aber nicht ausreichend. Es muß noch hinzukommen, die 
Sanktion des Gesetzes durch den König. Es besteht für den König 
keine Verpflichtung, die Sanktion zu erteilen und die Publikation des 
Gesetzes anzuordnen. Beide Kammern beschließen über die Gesetzes- 
vorlage mit absoluter Mehrheit der anwesenden Mitglieder. Dies 
gilt auch für Verfassungs-Anderungen, doch sind hier 2 Ab- 
stimmungen vorgeschrieben, zwischen denen ein Zeitraum von mindestens 
21 Tagen liegen muß (Art. 80, 107 Vl.). Die Gesetzesvorschläge 
können sowohl von dem Könige als auch von jeder Kammer (das 
Recht der Initiative) eingebracht werden. Doch können Gesetzesvor- 
schläge, welche durch eine der Kammern oder den König verworfen 
worden sind, in derselben Sitzungsperiode nicht wieder vorgebracht 
werden (Art. 64 Abs. 2 Vl.). « 
Zur allgemeinen Verbindlichkeit preußischer Gesetze und Verordnungen 
gehört nach Art. 106 VU. auch noch die Bekanntmachung in der vom 
Gesetz vorgeschriebenen Form. Die Bekanntmachung eines Gesetzes 
in der Gesetzsammlung für die Königlich preußischen Staaten, welche 
durch Verordnung vom 27. Oktober 1810 begründet ist, und jetzt seit 
dem 1. Januar 1907 durch AE. v. 24. November 1906 (GS. S. 439) 
die neue Bezeichnung „Preußische Gesetzsammlung“ führt, als Voraus- 
setzung seiner Verbindlichkeit ist durch Gesetz vom 3. April 1846 vor- 
geschrieben. Durch Gesetz vom 10. April 1872 ist die Verkündung 
gewisser landesherrlicher Erlasse (z. B. betreffend die Verleihung des 
Expropriationsrechtes, das Privilegium zur Ausgabe von Inhaber-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.