Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

374 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
Falle der Staat die unterhalb liegenden Nachbarn zur Gestattung der 
Vorflut anhalten, wenn die Vorteile des oberhalb gelegenen Besitzers 
den Schaden der unteren beträchtlich überwiegen, und ersterer den 
letzteren diesen ganzen Schaden vollständig zu vergüten bereit und 
vermögend ist (66 103—105 I 8 ALR.). Ist zur Verschaffung der 
Vorflut die Ziehung eines neuen Grabens notwendig, oder müssen 
neue Brücken über dergleichen Gräben angelegt oder unterhalten werden, 
so müssen diejenigen, zu deren Bestem die Anlage erfolgt, nach Ver- 
hältnis des Nutzens zu den Kosten beitragen; wird einer der Besitzer 
durch diese Anlagen lediglich geschädigt, so kann er Schadenersatz auch 
für die durch die Ziehung des neuen Grabens verloren gegangene 
Erdfläche nach Abschätzung vereidigter Sachverständiger verlangen 
(§§ 106—109 I1 8 AR.). Die Aufnahmeverpflichtung bezüglich 
des zufließenden Wassers kommt in Wegfall, wenn dem betreffenden 
Grundbesitzer ein besonderes Staurecht (namentlich zum Betriebe 
einer Wassermühle) zusteht. 
Zur Ableitung der Teiche oder stehenden Seen ist niemand die 
Ziehung neuer Gräben über sein Eigentum wider seinen Willen zu 
gestatten verpflichtet (§ 117 1 8 ALR.). 
Soweit jemandem die Unterhaltung eines Grabens oder Wasser- 
abzugs obliegt (z. B. in den Fällen des § 100, 101 1 8 A#. und 
§ 7 des Privatflußgesetzes), kann er zu dessen Auskrautung oder 
Räumung, wozu auch die Beseitigung von Hindernissen des Wasserlaufs 
infolge Versandung, Verschlammung, von Bäumen, Sträuchern gehört, 
polizeilich auch im Wege der Polizeiverordnung (KG. E. Bd. 10 
S. 839), angehalten werden, sobald aus der Vernachlässigung derselben 
oder aus Mangel der erforderlichen Tiefe Nachteil für die Besitzer 
anderer Grundstücke oder nutzbarer Anlagen oder auch für die Gesund- 
heit der Anwohner entsteht (6 10 des Vorflutediktes vom 10. November 
1811 GS. S. 352). 
Gegen die Anordnungen der für die Wahrnehmung der Wasserpolizei 
zuständigen Behörde wegen Räumung von Gräben, Bächen und 
Wasserläufen, bezw. wegen Aufbringung oder Verteilung der dazu 
erforderlichen Kosten findet nach § 66 ZG. als Rechtsmittel binnen 
2 Wochen der Einspruch an die Wasserpolizeibehörde statt, gegen 
deren Beschluß Klage im Verwaltungsstreitverfahren zulässig ist. 
(I. Instanz: Kreisausschuß, in Stadtkreisen und wenn die Klage 
gegen Beschlüsse des Landrats gerichtet ist, sowie in Städten von 
mehr als 10000 Einwohnern der Bezirksausschuß.) Streitigkeiten 
der Beteiligten darüber, wem von ihnen die öffentlich rechtliche Ver- 
bindlichkeit zur Räumung von Gräben und sonstigen Wasserläufen 
obliegt, unterliegen der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren. 
Erst durch das Vorflutedikt sind besondere und zwar erhöhte Ver- 
pflichtungen für den Grundeigentümer festgesetzt worden, nämlich für 
den Fall, daß ihm ein Staurecht zusteht (8§§ 11, 12) und bezüglich 
des auf anderen Grundstücken stehenden Wassers. Diese erhöhte 
Verpflichtung besteht jedoch nur dann, wenn sie im öffentlichen Interesse 
(der Bodenkultur oder der Schiffahrt) geboten ist, und nachdem das 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.