376 15. Buch, Die materielle Staatsverwaltung.
Einer schon vorhandenen Mühle darf ein Nachbar, durch dessen
Grundstück das zu ihrem Betriebe nötige Wasser fließt, letzteres nicht
entziehen (§ 246 II. 15 A#.).
Bei Mühlen oder anderen durch Wehre oder Schleusen veranlaßten
Strömungen muß jeder Besitzer derselben sich die Setzung eines
Merkpfahls auf Antrag und Kosten derer, die dabei interessiert sind,
(d. h. derjenigen, welche ein Interesse an der Einschränkung des Stauens
haben), gefallen lassen. Merkpfähle bezwecken die zulässige Höhe des
Wasserstandes oberhalb einer Stauanlage zu bestimmen (Johow, Jahrb.
Bd. 2 S. 283). (8 1 Gesetz vom 15. November 1811.) Die
Setzung kann nur durch sachverständige Kommissarien des Kreis-(Stadt-)
ausschusses erfolgen. Steht die Höhe des Staurechts durch rechts-
kräftige Urteile oder privatrechtliche Titel fest, so haben die Kommissarien
den Merkpfahl danach zu setzen. Ist aber über die Höhe des Wasser-
standes Streit, und werden bezüglich dieser rechtsgültige Verträge, Ver-
leihungen oder rechtsverjährter Besitz behauptet, so wird die Sache zur
Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren vor den Kreis-(Stadt-)
ausschuß verwiesen. Während der Dauer des Verfahrens ist inter-
imistisch ein Wasserstand festzusetzen, welchen der Müller oder sonstige
Stauberechtigte solange halten müssen, bis die definitive gerichtliche
Entscheidung ergeht (58 2—6 Vorflutedikt).
§ 104. Deichwesen.
Das Deichwesen, welches vom BGB. unberührt geblieben ist (Art. 66
EG. z. BGB.), hat für Altpreußen durch das Deichgesetz vom
28. Januar 1848 (GS. S. 54), welches durch die §§ 96, 97 des
ZG. Abänderungen erfahren hat, eine umfassende Regelung gefunden.
Die Geltung dieses Gesetzes ist auch auf die Provinzen Schleswig-
Holstein und Hannover durch das Gesetz vom 11. April 1872 (GS.
S. 377) ausgedehnt worden, jedoch mit Ausnahme derjenigen Gebiets-
teile, für welche besondere Deichordnungen bestehen. Es sind dies die
Schleswig-Holsteinschen Marschdistrikte, und in der Provinz Hannover:
die Bremischen, Lüneburgischen und Hoyaschen Marschen, das Land
Hadeln, das Fürstentum Ostfriesland und der Stadtbezirk Papenburg.
Dort bestehen für die Deiche größtenteils Deichverbände. In der
Croving Hessen-Nassau hat das Gesetz vom 28. Januar 1848 keine
Geltung.
Die Geltung des Gesetzes vom 28. Januar 1848 erstreckt sich nicht
nur auf öffentliche, sondern auch auf Privatflüsse, einschließlich der
Gebirgsgewässer, sofern solche mit einer gewissen Regelmäßigkeit zeitweise
aus ihren Ufern treten und eine Strecke Landes unter Wasser setzen
(Johow, Jahrb. Bd. 5 S. 341).
Unter Deichen versteht man Dämme bezw. dammähnliche Vor-
richtungen zwecks Fernhaltung andringenden Wassers oder Beschränkung
seiner Ausbreitung zum Schutze benachbarter Ländereien. Das Gesetz
unterscheidet Deiche, die zu keinem Deichverbande gehören, von den
Deichverbänden.
Bezüglich der ersteren bestimmt § 1, unter Berücksichtigung der